Plötzlich gewinnt der Fünfzehnte mit 3:0 gegen den Dritten, obwohl der Abstiegskandidat seit Wochen einem Erfolgserlebnis hinterherrennt. Aus einer deutlichen Halbzeitführung entsteht noch eine unerklärliche Niederlage. Hatte dies etwas mit dem Halbzeit-Besuch des gegnerischen Obmanns in der Kabine zu tun? Willkommen im Amateurfußball.
Die Kreisliga kennt viele Mythen. Zum Fußballsonntag auf den Aschenplätzen gehören greise Schiedsrichter, übergewichtige Liberos sowie die Kippe und das Pils danach. Aber auch: Schattenseiten am Saisonende. Es wird gemauschelt – und das funktioniert, weil niemand darüber spricht. Kaum ein Kreisliga-Kicker gibt zu, selbst schon mal an einer Wettbewerbsverzerrung beteiligt gewesen zu sein. Aber bei anderen Klubs? Klar, davon hat jeder schon mal gehört...
Die Fakten belegen dies: Im Jahr 2011 ermittelte Sportwissenschaftler Werner Pitsch in einer Online-Umfrage, dass das große Gemauschel ein Thema im Amateurfußball ist. Das will Wolfgang Jades, Vorsitzender des Fußballverbandes Niederrhein, so nicht stehen lassen: „Natürlich hört man, dass da an den letzten Spieltagen viel Bier durch die Welt geschickt wird. Doch beweisen kann man das nicht. Denn es finden sich keine Zeugen für solche Dinge. Früher war das Problem viel gravierender. Heute sprechen wir nur von Einzelfällen.“
Bier macht manches möglich
Für ein paar Kisten Bier und hundert Euro ist vieles möglich. Der ehemalige Bundesligaprofi Steffen Karl, der für Borussia Dortmund und Hertha BSC spielte, war im Jahr 2011 Präsident und Spieler des Chemnitzer Kreisligisten Viktoria Einsiedel und soll Drahtzieher des für 150 Euro und zwei Kisten Bier gekauften 9:2 gegen den BSC Rapid Chemnitz II gewesen sein. Karl, der bereits 2005 gestanden hatte, in den Skandal um den ehemaligen Profi-Schiedsrichter Robert Hoyzer verstrickt gewesen zu sein, bestritt dies. Trotzdem wurden dem Karl-Klub zur neuen Saison 25 Punkte abgezogen.
Natürlich hört man, dass da an den letzten Spieltagen viel Bier durch die Welt geschickt wird
Wolfgang Jades, Vorsitzender des FVN
In der Regel bleiben solche Fälle im Verborgenen. Typisch Kreisliga: So etwas behält die Amateurfußball-Familie für sich – eine Art Ehrenkodex. Die üblichen Schiebereien zum Saisonende gelten intern als Kavaliersdelikte. Trotzdem ist der Aufschrei groß, wenn eine Spielmanipulation mal öffentlich wird. So erschütterte im September 2014 der Fall Slavko Franjic den Amateurfußball im Revier. Der damalige Trainer des Mülheimer Klubs TB Heißen wurde für ein ganzes Jahr gesperrt. Was war passiert? Die Heißener waren in der Spielzeit 2010/11 von der Kreisliga B in die Kreisliga A aufgestiegen. Im Saison-Endspurt soll der Coach mehrmals versucht haben, gegnerische Mannschaften zur Manipulation anzustiften. Der 1. FC Mülheim II hatte das Verfahren vor der Verbands-Spruchkammer ins Rollen gebracht.
Am Ende wollen alle feiern
So läuft es regelmäßig. Für den einen Verein geht es um nichts mehr, für den anderen um Meisterschaft oder Abstieg. Da kommt dann gerne mal ein unmoralisches Angebot. Außerdem wird auch mit Prämien gearbeitet: Ein Verein, für den noch jeder Punkt wichtig ist, bezahlt einen anderen Klub für dessen Sieg über einen Konkurrenten. Nur eine Motivationsspritze? Oder auch Mauschelei?
„Wir sollten alle aufhören, die Heiligen zu spielen“, sagt ein 55-jähriger Trainer aus dem Essener Amateurfußball, der namentlich nicht genannt werden will. „Ich habe schon immer am Ende der Saison verschoben und werde es auch weiter machen, wenn es noch um etwas geht. Alle machen das. Wer behauptet, dass er noch nie in so eine Geschichte verwickelt war, der lügt. Schließlich wollen wir am Ende alle eine große Sause feiern. Am besten am Ballermann.“
Geht so ein Deal auf, feiern alle Beteiligten. Mythos Kreisliga.