Rot-Weiss Essen ist nach vier Spielen und nur einem Punkt sowie einem Torverhältnis von 4:12 das Tabellenschlusslicht der 3. Liga. Schon zu Beginn der Saison wurde dem Aufsteiger schonungslos vor Augen geführt, wie der Fußball eine Etage über der Regionalliga funktioniert.
RWE zeigte bis dato eigentlich in allen Mannschaftsteilen Schwächen. Es gilt einige Baustellen zu schließen. Eine RevierSport-Analyse:
Tor: Jakob Golz, der an diesem Dienstag (16. August) 24 Jahre alt wird, patzte gegen Borussia Dortmund II und sein schwerer Fehler kostete RWE zumindest einen Punkt. Golz, der in der finalen Phase der vergangenen Saison RWE das ein oder andere Mal mit tollen Paraden Punkte rettete, ist auch noch nicht so richtig in der 3. Liga angekommen. Er hat zwar, bis auf den Bock in Dortmund, noch keine Tore verschuldet, doch konnte er der Mannschaft auch nicht mit Glanztaten helfen beziehungsweise sie im Spiel halten. Er hat sicherlich die Qualität ein richtig guter Profi-Torwart zu werden, doch nun muss er sein großes Potential auch in der 3. Liga unter Beweis stellen und vielleicht auch mal den einen oder anderen "unhaltbaren" Ball parieren. Schafft er das nicht, wird RWE spätestens zur Winterpause auch über die Torwart-Position nachdenken müssen.
Abwehr: Auf Sandro Plechaty, Felix Herzenbruch und allen voran Daniel Heber war in den letzten Jahren immer Verlass. Doch in der 3. Liga suchen die einstigen Leistungsträger noch ihre Form. Und hier sprechen wir gar nicht von der Top-, sondern eher Normalform. Bislang spielt das Trio unter seinen Möglichkeiten. Plechaty und Herzenbruch verloren nach nur zwei Spielen ihre Stammpositionen und wurden durch Meiko Sponsel sowie Moritz Römling ersetzt. Doch auch das junge Duo konnte bislang nicht mehr als solide Leistungen abliefern. Das Prädikat "bärenstark" hat sich bislang noch kein RWE-Abwehrspieler an den ersten vier Spieltagen verdient. Der Beste einer schwachen RWE-Hintermannschaft ist vielleicht noch Felix Bastians. Aber auch von dem so erfahrenen - 92 Bundesligaspiele, 116 Partien in der 2. Liga - muss noch mehr kommen. Er muss der Anführer, der Leader sein, um die Mannschaft mitzureißen.
Kein Wunder, dass die RWE-Verantwortlichen in der Abwehr nach Verstärkungen suchen. Allen voran ein Innenverteidiger soll her. Dieser, ein erfahrener Zweit- oder Drittligaprofi, könnte dann Kapitän Heber an die Hand nehmen, ihm mehr Sicherheit verleihen und Bastians könnte eine Alternative auf linken Außenverteidiger-Position sein. So oder so: zwölf Gegentore in vier Spielen: Da braucht man kein großer Experte sein, um aufzuzeigen, wo bei RWE der Schuh drückt.
Mittelfeld: Aber auch nach vorne hin ist das aktuell alles zu wenig. Vor allem die Mittelfeld-Zentrale lässt zu wünschen übrig. Weder Niklas Tarnat noch Björn Rother konnten in den vier Drittliga-Spielen positiv auf sich aufmerksam machen. Luca Dürholtz spielt aktuell nur eine untergeordnete Rolle, und in der Offensive wurde Cedric Harenbrock auch gnadenlos aufgezeigt, dass die 3. Liga anders als die Regionalliga funktioniert. Nur Thomas Eisfeld war bislang ein Lichtblick im Essener Zentrum. Klar: neben der Innenverteidiger-Position steht ein neuer Sechser ganz weit oben auf der RWE-Einkaufsliste.
Vor allen Dingen von Rother hatten sich die Verantwortlichen und sicherlich auch viele Fans eine echte Verstärkung erhofft. Doch als diese entpuppte sich der ehemalige Rostocker noch nicht. Rother ist bislang nicht mehr als ein Mitläufer. RWE hatte mit Marco Kehl-Gomez oder Dennis Grote zuletzt Spieler auf der Sechs, die das Heft an sich reißen konnten, die gute Pässe spielen konnten und auch Torgefahr ausstrahlten. Mit Grote an der Seite sahen dann auch Luca Dürholtz oder Niklas Tarnat besser aus. Aktuell ist es so, dass sich beide Sechser eher verstecken und dem Essener Spiel durch die Mitte nur wenig bis gar nichts geben. Wenn es gefährlich wird, dann über die Außen oder präziser gesagt: durch Lawrence Ennali.
Flügel: Lawrence Ennali macht den Fans Spaß. Auch, wenn dem 20-Jährigen nicht alles gelingt, hat man das Gefühl, dass über seine Seite immer was gehen könnte. Natürlich macht er noch viele Fehler, verdribbelt sich manchmal oder gibt den Ball zu leicht ab - aber: Ennali traut sich, will unbedingt eine gefährliche Aktion kreieren. Bislang, neben Ron Berlinski, der einzige Neuzugang, der sich als Verstärkung entpuppt. Ein absoluter Leistungsträger war bislang auch Isaiah Young. Doch aktuell ist der Fanliebling ein Schatten seiner selbst. Bei ihm sieht man mit am heftigsten, wie groß die Umstellung von Liga vier auf Liga drei ist. Young kommt noch überhaupt nicht ins Spiel. Die Fans vermissen seine Tempodribblings, seine Torgefahr, seine Schlitzohrigkeit. Sein persönliches Ziel ist weitaus mehr als nur die 3. Liga. Er muss in den nächsten Wochen zunächst unter Beweis stellen, dass er auch 3. Liga kann.
Angriff: Simon Engelmann hat mit zwei Toren schon unter Beweis gestellt, dass er auch in Liga drei treffen kann. Aber auch er wird erkannt haben, dass er in der 3. Liga pro Spiel eine vielleicht zwei Chancen bekommt, die dann sitzen müssen. Die Zeit, als er sich einige Fahrkarten leisten konnte, und am Ende dennoch mit zwei Toren aus einem Regionalligaspiel ging, sind vorbei.
Mit Ron Berlinski hat Engelmann einen Sturmpartner, der nicht anders als "Engel" sein könnte. Berlinski läuft und rennt - das ist der Wahnsinn. Die Fans lieben ihn jetzt schon dafür. Wie sehr der Bochumer Junge mit Herz und Leidenschaft dabei ist, beweisen die Bilder nach den Spielen. Bislang stand Berlinski immer tief enttäuscht vor der Fankurve und hatte jedesmal Tränen in den Augen. Warum? Weil die Mannschaft einmal mehr die Fans enttäuschte. Ihm geht das alles sehr nahe und ihm nimmt man das auch ab. Er hat das Zeug, ein absoluter Publikumsliebling an der Hafenstraße zu werden. Aber auch er wird wissen, dass er dafür viele Tore schießen muss. Bislang fällt es ihm auch schwer, sich gute Einschussmöglichkeiten zu erarbeiten.
Gut möglich, dass RWE auch hier noch einmal nachlegen wird. Ein Stürmer, der noch einmal anders als Berlinski und Engelmann ist, der über reichlich Profierfahrung verfügt, könnte RWE helfen.
Die Ersatzbank: Diese ist mit Sicherheit keine rot-weisse Baustelle. Hier saßen zuletzt, bis auf die Zugänge Felix Wienand und Aurel Loubongo, Spieler auf der Bank, die in der vergangenen Saison noch zu den Stammkräften gehörten. RWE kann von der Bank gute Leute, die dies zumindest in der Regionalliga waren, immer bringen. Bestes Beispiel: Oguzhan Kefkir, der immer in den letzten 20, 30 Minuten Vollgas geben und den Unterschied ausmachen kann. Aber auch für die Defensive Spieler wie Enrique Rios Alonso oder aktuell Plechaty, der Ersatzmann ist. Da hat RWE in der Hinterhand Qualität.
Wo die Verantwortlichen nachbessern müssen und wollen, ist nicht in der Breite, sondern der Tiefe des Kaders. Und hier sondieren Jörn Nowak und Co. aktuell akribisch den Transfermarkt, um die rot-weissen Baustellen - allen voran Innenverteidigung und Mittelfeld-Zentrum - zu schließen.
Nicht zu vergessen: Der aktuell 29 Mann große Kader ist auch eine Baustelle. Kaum auszudenken, wenn RWE zwei, drei neue Spieler finden würde, aber kein Akteur geht. Sowohl für die Stimmung in der Mannschaft, als auch den Trainingsbetrieb ist dieser große Kader alles andere als gut.