Denn zusammen mit Klaus Täuber gestaltete der "Scudetto"-Gastgeber am vergangenen Mittwoch einen ganzen Abend im Zentrum der Schalker Glückseligkeit. Mitten auf der Gelsenkirchener Prachtmeile Kurt-Schumacher Straße hatten die "Traditionsveteranen" ins Kultlokal "Anno 1904" geladen.
Auch wenn das ehemalige "Haus Kitzhöfer" längst umgestaltet ist, war der Auftritt mitten in Schalke ein echtes Wagnis für den Meister der Worte. Denn noch nie war Redelings im Rahmen seiner bundesweiten Auftritte mit seinem offenen Programm "ausschließlich vor Fans aufgetreten, die das falsche Wappen auf der Brust tragen", wie er freimütig zugab.
Der bekennende Anhänger des VfL Bochum entschied sich für die Flucht nach vorne und kündigte seine verbalen und mit skurrilen Bildern und Tonbeiträgen untermalten Ergüsse mit den Worten an: "Als ich gerade auf der Toilette in den Spiegel sah, habe ich gesehen, dass ich doch leichten Ausschlag bekomme." Als die Lacher leicht verbissen ausblieben, legte Redelings noch mal vorsichtig nach: "Keine Angst, es wird nicht zu intellektuell. Wir sind ja hier auf Schalke", ließ Redelings keine Gelegenheit aus, zu zeigen, für wen sein Herz schlägt.
War es Respekt vor dem Gast, Mitleid vor dem "kleinen" Nachbarn oder gar Achtung vor der künstlerischen Leistung? Außer ein paar Knurrern auf der mit rustikalen Holzstühlen der Marke Gelsenkirchener Barock aufgerüsteten Tribüne regte sich kaum hörbarer Widerstand.
Klaus Täuber (rechts) hatte die Schalker Fans von Anfang an auf seiner Seite (RS-Foto: Bunse).
"Du sprichst hier mit einem Mann, aus dessen Familie drei Brüder bei richtig guten Vereinen gespielt haben. Nicht solchen wie der VfL Bochum, ich meine richtig gute Vereine", begann dann ausgerechnet Plauderpartner Täuber auszuteilen, so wie er einst auch auf dem Platz getan hatte. Dafür liebten sie ihn in den 1980ern auf Schalke, dafür verehren sie den Trainer des VfB Hüls hier heute noch. "Habt ihr in Bochum auch Fans?", drehte der Boxer den Spieß um.
"Es heißt doch: 'Einmal Schalker, immer Schalker' - Genau so war es auch bei mir", gab Täuber der königsblauen Seele die von den 60 Besuchern herbeigesehnte Nahrung aus der guten, alten Zeit des Fußballs. Damals, als der Verein zwar erfolgloser, das Blau der Trikots der Spieler aber irgendwie blauer gewesen zu sein schien als heute.
"Es stand für mich fest, dass ich die Stuttgarter Kickers verlassen würde, um den nächsten Schritt in meiner Karriere zu machen. Ich hatte mehrere Angebote aus der ersten Liga. Auf Einladung von Rudi Assauer habe ich mir damals das zweite Relegationsspiel gegen Bayer Uerdingen im Parkstadion angeschaut. Schalke spielte 1:1, stieg aber danach zum zweiten Mal aus der Bundesliga ab", erinnerte sich der Stürmer.
Einen Tag später, am 20. Juni 1983, saß der Franke zu Hause in Erlangen auf der Coach und grübelte über das Erlebte. "Eigentlich wollte ich ja in die Bundesliga wechseln. Aber ich hatte nie zuvor solche Emotionen in einem Stadion gesehen. Dann redete Assauer zweieinhalb Stunden auf mich ein, bis ich endlich zusagte. Ich hatte gerade den Hörer aufgelegt, da erhöhte Eintracht Frankfurt sein Angebot. Doch mein Entschluss stand fest und ich habe ihn nie bereut."
Und dann erzählte "der Boxer" von vorgetäuschten Verletzungen, Trainingslagern in Gevelsberg sowie Sprüngen vom Balkon eines Hotelzimmers - mit einer brennenden Zigarette in der Hand durch ein Vordach hindurch in einen Teich mit Eiswasser, um den strengen Blicken des Coaches zu entgehen. Und Waldläufen, die knapp drei Stunden dauerten, weil der damalige Trainer Didi Ferner den Weg zurück zur Kabine nicht mehr fand.
Ob Redelings dann auch wieder mitmacht? Der Bochumer konnte - oder wollte - sich nach Beendigung seines ersten Gastspiel auf Schalke einen weiteren kleinen Seitenhieb in Richtung königsblau nicht verkneifen. Mit einem Bild von Theofanis Gekas, dem personifizierten Träume-Killer aller Schalke-Fans, als Arbeiter auf der Baustelle der Bayarena in Leverkusen, ging er hausieren.
Doch nicht nur die Knappen-Kids in seiner eigenen Familie würde eine Annäherung im Verhältnis zwischen blau-weiß hier und blau-weiß dort sicher freuen. Interkulturellen Begegnungen wie die im "Anno 1904" tragen doch immer auch ein wenig zum normalen Selbstverständnis im Umgang miteinander bei.