Vier mutmaßliche Wettbetrüger auf der Anklagebank, das gesamte Fußball-System am Pranger: Wenn am Mittwoch um 9.00 Uhr im Saal C 240 des Landgerichts Bochum der erste Prozess um den größten Manipulationsskandal im europäischen Fußball beginnt, geht es nicht nur um die Schuldfrage. Spannend ist auch, ob der Sumpf von Korruption und Bestechung trocken gelegt werden kann.
Die 13. Wirtschaftsstrafkammer hat bislang fünf Verhandlungstage bis zum 28. Oktober angesetzt. "Aber damit werden wir mit ziemlicher Sicherheit nicht auskommen", sagte Gerichtssprecher Volker Talarowski dem SID. Geplant ist zunächst die Anhörung der Angeklagten, denen gewerbs- und bandenmäßiger Betrug vorgeworfen wird. Dabei handelt es sich um zwei Personen, die der Führungsebene der Wettmafia zugeordnet werden, sowie einen Kaufmann und einen früheren Fußballer.
Bei dem Prozess geht es zunächst um 32 Spiele in Deutschland, Belgien, Slowenien, Ungarn, Kroatien und der Schweiz. Die mutmaßlichen Täter sollen für diese Partien 370.000 Euro aufgewendet haben, um Spieler oder Schiedsrichter zu bestechen. Insgesamt sollen zwei Millionen Euro auf die betroffenen Begegnungen gesetzt worden sein, die Gewinne belaufen sich angeblich auf 1,6 Millionen Euro. Dabei wurde wohl nicht nur auf Sieg, Unentschieden oder Niederlage, sondern auch auf Rote Karten oder späte Tore gezockt.
In Deutschland stehen ein Spiel aus dem DFB-Pokal und Partien aus der 2. Liga, den Regionalligen, den Oberligen sowie U19-Begegnungen unter Verdacht. In keinem anderen Land ist die Zahl der Spiele nach Angaben der Ermittler derart hoch. In der Europa League steht das Spiel zwischen dem FC Basel und CSKA Sofia vom 5. November 2009 (3:1) im Fokus. In der Qualifikation zur U21-EM soll das Aufeinandertreffen der Schweiz mit Georgien vom 18. November 2009 (1:0) betroffen sein.
Sollten Zeugen angehört werden, könnte unter anderem Ante S. ins Spiel kommen, der bereits im Manipulationsskandal um den früheren Bundesliga-Schiedsrichter Robert Hoyzer als Drahtzieher galt. Der Berliner, der in der Wettszene unter dem Decknamen "Navigator" bekannt ist, war 2005 zu zwei Jahren und elf Monaten Gefängnis verurteilt worden. Er wurde im Rahmen der neuen Ermittlungen 2009 erneut in Haft genommen.
Gelassenheit beim DFB
Beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) blickt man dem Prozess anscheinend gelassen entgegen. "Ich wusste gar nicht, dass es am Mittwoch losgeht. Sollte mehr ans Tageslicht kommen, müssen und werden wir uns den Dingen stellen", sagte Herbert Fandel, Vorsitzender der DFB-Schiedsrichter-Kommission, dem SID.
Beim DFB-Sportgericht sind aktuell 16 laufende Verfahren anhängig. 15 richten sich gegen Spieler, ein Verfahren läuft zudem gegen den Schiedsrichter Cetin Sevinc, der seit Dezember 2009 vom Verband mit einer Schutzsperre belegt ist.
Erkenntnisse ein Jahr lang zusammengetragen
Die Bochumer Staatsanwaltschaft hat ein Jahr lang ihre Erkenntnisse zusammengetragen. Die Ermittlungen gehen auf einen Zufallstreffer zurück. Bei einer Telefonüberwachung im Drogenmilieu wurden Gespräche aufgezeichnet, bei denen es um angeblich manipulierte Fußballspiele ging. Einer der Angeklagten, der 35 Jahre alte Türke Nürettin G., soll im Anschluss bei den Vernehmungen als eine Art "Kronzeuge" gedient und einem Bericht des Nachrichtenmagazins Spiegel zufolge "weit über seinen Tatbeitrag hinaus" ausgepackt haben.
Insgesamt wird gegen mehr als 250 verdächtige Personen ermittelt. Rund 270 Spiele im In- und Ausland stehen unter Manipulationsverdacht. Die Wetteinsätze sollen sich auf rund 12 Millionen Euro, die erzielten Gewinne auf 7,5 Millionen Euro belaufen haben. Die Höhe der gezahlten Bestechungsgelder beträgt nach Angaben der Ermittler etwa 1,5 Millionen Euro.