Keine 14 Tage ist es her, dass die Deutsche Fußball-Liga (DFL) ihr Hygienekonzept für Geisterspiele vorstellte. DFL-Boss Christian Seifert lieferte einen überzeugenden Auftritt und gab sich auch mit Blick auf die angesichts der Corona-Gefahr angespannte Stimmung im Land demütig. Gleichzeitig sprach er von einer „Missgunst“ gegenüber dem Fußball, die ihn und andere Verantwortliche in den vergangenen Wochen überrascht hätten. „Was hat der Fußball falsch gemacht in den letzten Jahren?“, hob Seifert eine Leitfrage der DFL für die Zukunft hervor.
Nun, Beispiele für das Abdriften der Blase Profifußball von der Basis sollten sich zuhauf finden lassen. Am Sonntag hat der 1. FC Köln in bemerkenswerter Manier für ein weiteres gesorgt.
Bis zu diesem Wochenende hatte Birger Verstraete keine allzu großen Fußstapfen in der Bundesliga hinterlassen. Der Sommer-Neuzugang absolvierte nur neun Einsätze für die Kölner, im Jahr 2020 gehörte er bei keinem Spiel dem Kader an. Doch ein [article=484673]Interview des Belgiers mit einem Nachrichtensender aus dessen Heimat[/article] sorgte seit Samstagabend für Wirbel.
Es sei „ein bisschen bizarr“, dass nach den drei positiven Corona-Befunden innerhalb der Mannschaft nun nicht das gesamte Team in Quarantäne gehe, hieß es da. So hätte der infizierte Physiotherapeut Verstraete und Kollegen wochenlang behandelt, mit einem der betroffenen Spieler bildete der Mittelfeldspieler am Donnerstag noch ein Duo im Fitnessstudio. Zudem gab Verstraete in reflektierter Art und Weise Einblicke in seine persönlichen Ängste: „Meine Freundin ist herzkrank, und manche Jungens haben Kinder zu Hause. Für mich ist das jetzt viel, viel wichtiger.“
Wenig überraschend [article=484701]ließ die Stellungnahme des 1. FC Köln am Sonntag nicht lange auf sich warten.[/article] Auch Verstraete kommt darin zu Wort – und rudert plötzlich zurück: „Statt aus der Emotion heraus ein Interview zu geben, hätte ich den Kontakt zu unserem Arzt suchen und mir meine Fragen erklären lassen müssen.“ Augenscheinlich verpassen die Kölner Verantwortlichen ihrem eigenen Spieler einen Maulkorb – und sprechen offenbar der Bequemlichkeit wegen von einer angeblich falschen Übersetzung - die es aber so nicht gegeben hat.
Derweil erwähnt der Bundesligist in seinem Statement mit keinem einzigen Wort die persönlichen Sorgen und Befindlichkeiten des eigenen Spielers. Verstraete hat sich nicht etwa besonders kritisch gegenüber dem „Effzeh“ geäußert, vielmehr ging es in dem Gespräch um seine eigene Gefühlslage. Dass nicht jeder Spieler einer Wiederaufnahme des Spielbetriebs begeistert gegenübersteht, scheint für die Vereine nebensächlich. Stattdessen ist der Tenor klar: Geisterspiele um jeden Preis. Wer aus der Reihe fährt, muss schnellstmöglich wieder eingefangen werden. Notfalls mit der Pistole auf der Brust. Immerhin betonte der Verein in den sozialen Medien: „Verstraete wird weiter beim FC trainieren und spielen.“
Damit sich der 26-Jährige keine weiteren großen Sorgen um seine herzkranke Freundin machen muss, haben alle Parteien offenbar eine gemeinsame Lösung gefunden. „Sie wird nach Hause nach Belgien fahren und dort erstmal bleiben“, so Verstraete.