Pünktlich zur WM 2010 in Südafrika werden die Anhänger weltweit wieder mit zahlreichem Leder-Liedgut beschallt, und ob nun offizieller oder inoffizieller WM-Song - die Liste der musikalischen Machenschaften ist in diesem Jahr so lang wie nie. Soccer sells, das hat die Musikindustrie inzwischen begriffen.
Musikalisches Märchen oder akustischer Albtraum - die Entscheidung wird dort getroffen, wo die Stadion-Symphonien auch gesungen werden - in der Kurve: 2006 bei der WM in Deutschland schallte das bis dahin fast unbekannte Lied "Seven Nation Army" der "White Stripes" durch die Stadien. Von der UEFA für die EM 2008 dann als offizielle Einlaufmusik ausgewählt, schoss der basslastige Song mit dem Mitgröl-Refrain fünf Jahre nach der Veröffentlichung in die Charts. Dabei ist die Band alles andere als Fußball-affin.
Die TV-Sender hoffen durch eine eigene Songauswahl auf einen Wiedererkennungswert. Die ARD setzt für die WM in Südafrika auf die Musik aus dem Land der Gastgeber und wird "Come Back As Heroes" von der südafrikanischen Indie-Rock-Band The Parlotones rauf und runter spielen. Das ZDF verlässt sich auf das Hit-Gespür des amerikanischen Musikers und Produzenten Timbaland, der sich für die Fußball-Hymne "Marching On" die Gruppe One Republic ins Studio geholt hat. Diese Kombination landete 2007 mit "Apologize" bereits einen Tophit.
Den bislang erfolgreichsten WM-Song 2010 singt ein Kanadier mit somalischen Wurzeln, der mit "Wavin' Flag" für den Hersteller eines globalen Brausegetränks wirbt. K'Naan hat mit seiner wehenden Flagge Platz eins der deutschen Charts bereits vor der WM im Sturm erobert. Die deutschen Nationalmannschaft ("Buenos Dias Argentina") taucht dort längst nicht mehr auf. Dafür versuchen Comedians wie Oliver Pocher, Matze Knop oder Elton mit Fan-Songs auf Ballermann-Niveau Kasse zu machen.
Bereits 1990 entdeckte auch der Weltverband FIFA das Geschäft mit den WM-Songs. 2006 in Deutschland schmetterten Il Divo auf der Eröffnungsfeier das offizielle und längst vergessenen "Time Of Our Lives". Für Herbert Grönemeyer war es "Zeit, das sich was dreht", Xavier Naidoo besang den Weg, der kein leichter war.
Und Shakira hinterließ vor dem Finale 2006 mit ihrem Hit "Hips don't lie" offenbar einen so guten Eindruck bei der FIFA, dass sie die Kolumbianerin schon beim Eröffnungskonzert zur WM 2010 zu "Waka Waka (This Time for Africa)" die Hüften schwingen durfte. Damit nicht genug: Neben Shakiras offiziellem WM-Song gibt es noch die offizielle Hymne von R. Kelly.
Fehlt eigentlich nur noch eine Hymne der Fans. Die könnten wie schon 2006 die Sportfreunde Stiller beisteuern, die der Einfachheit halber "54, 74, 90, 2006" schon vor vier Jahren auf "54, 74, 90, 2010" weiterdrehten. Originell die Idee der Australier: Sie nahmen die Herzschläge von ganz normalen Australiern mit Spezialstethoskopen auf, um den Puls der Nation zu fühlen.
Den Vogel schießt allerdings Dr. Alban ab, der singende Zahnarzt aus Schweden, der in den 90er Jahren einige Ausflüge in die weltweiten Charts unternahm. Sein Hit "Hello Africa" wurde eigens für die WM als "Hello South Africa" neu aufgelegt. Nicht sehr einfallsreich, aber simpel. Und das ist ja meist schon die halbe Miete.