Als RevierSport bei Marcel Stiepermann anrief, befand sich der 33-Jährige gerade im Training. Fahrradfahren war angesagt, neben ein paar individuellen Krafteinheiten und Läufen, ist während des Coronavirus derzeit nicht viel mehr drin.
Vor der Einstellung des Spielbetriebs befand sich Stiepermann mit dem Kirchhörder SC im Aufstiegsrennen der Landesliga 3. Sein kleiner Bruder Marco dagegen kämpfte mit Norwich City gegen den Abstieg - in der Premier League.
Marcel Stiepermann hat seinen Profi-Bruder schon oft besucht, beispielsweise gegen den FC Liverpool an der Anfield Road. „Die Stimmung ist mega, ganz anders als in Deutschland, es macht mehr Spaß zuzugucken, alles ist schneller“, so sein Eindruck.
Fragen über seinen kleinen Bruder, der in Englands Star-Liga Stammgast ist, während er selbst durch die Landesliga tourt, nerven Marcel Stiepermann nicht. Im Gegenteil: „Das brüderliche Verhältnis ist top. Wir gönnen uns beiden alles. Wir sind komplett ohne Neid aufgezogen worden.“
Denn gerade als sich sein vier Jahre jüngerer Bruder endgültig im Profifußball festbiss, verabschiedete sich Marcel Stiepermann ab 2012 aus den höheren Ligen. „Zu dieser Zeit fand in meinem Kopf ein Umbruch statt“, erklärt Marcel Stiepermann und ergänzt: „Ich konzentrierte mich auf den Beruf, habe meine Frau kennengelernt. Hätte ich sie früher kennengelernt, wäre es vielleicht anders gelaufen.“
Stiepermann spielte bei RWO und RWE
Nachdem Marcel Stiepermann aus der Jugend von Wattenscheid 09 hervorkam, spielte er zwischen 2005 und 2011 für Rot-Weiß Oberhausen, Rot-Weiss Essen und auch Wiedenbrück in der zwischenzeitlich dritthöchsten Klasse Deutschland, der Regionalliga. „Da gibt es natürlich viele Highlights, wenn man bei solchen Traditionsvereinen gespielt hat, auch mit super Spielern wie Mike Wunderlich oder Sascha Mölders“, erinnert sich Stiepermann.
Nichtsdestotrotz blickt er auch mit einem weinenden Auge auf diese Zeit zurück. „Verletzungen haben mich immer wieder zurückgeworfen, ich wurde immer wieder gebremst, sodass ich das Ganze nicht so richtig euphorisiert miterleben konnte.“
2007/2008 etwa stieg er mit RWO in die 2. Bundesliga auf, ein bittersüßer Moment. „Du steigst auf, feierst mit, aber du merkst, dass du dazu wenig beigetragen hast. Heute blickt man darauf demütiger zurück“, erklärt Stiepermann mit ruhiger Stimme.
Falsche Entscheidungen
Heute, mit 33 Jahren, ist er auch erfahrener. Der Familienvater weiß, dass es nicht ausschließlich die Verletzungen waren, die ihm einen ähnlichen Weg, wie den seines Bruders, verhinderten. „Ich war ein Typ, der auch gelebt hat und nicht mit der letzten Konsequenz auf den Fußball fokussiert war, auch wegen den Verletzungen und weil mein Körper nicht mitgemacht hat. Das gibt einen Knackpunkt im Kopf, sodass man sich auch einfach erlaubt, beispielsweise mit den Freunden um die Häuser zu ziehen. Ich habe oft nicht die richtigen Entscheidungen getroffen. Hätte ich meine Frau früher getroffen, hätte ich vielleicht auf viele Dinge verzichtet.“
Bereut Stiepermann einige Entscheidungen? „Reue ist schwierig, weil ich ein Mensch bin, der immer versucht, im Hier und Jetzt zu leben. Ich möchte gar nicht in der Vergangenheit leben, mir darüber Gedanken machen, darüber grübeln. Das tut mir nicht gut. Ich bin mitten im Leben, das würde mich nur blockieren. Ich versuche jetzt so zu handeln, dass ich nichts mehr bereue.“
Stiepermann will Trainer werden
Mittlerweile ist Stiepermann seit sieben Jahren erfolgreich in der Bedachungsbranche im Vertrieb tätig. „Ich habe mich gut eingefunden, alles läuft super“, sagt er. Ganz aufs Kicken konnte er allerdings nicht verzichten. Seit 2016 spielte er wieder vermehrt in der Kreisliga und der Landesliga. „Ich bin einfach Fußballer durch und durch, möchte den Fußball gar nicht missen. In der Kabine zu sein, auch mal über andere Dinge zu reden und abzuschalten.“
Kommenden Sommer ist aber auch damit vorerst Schluss, zumindest als Spieler. Stiepermann arbeitet mit Hochdruck an seiner Trainerkarriere. Aktuell absolviert er die B-Lizenz, im Sommer wird er beim Bezirksligisten FC Nordkirchen Co-Trainer von Mario Plechaty, den er aus gemeinsamer Zeit bei Mengede kennt. Seinen Spielerpass nimmt Stiepermann allerdings vorsichtshalber mit.
Er freut sich auf den nächsten Abschnitt seiner Karriere und hat große Ziele: „Mario ist ein super Trainer, der mich ranführen kann. Ich werde das auf mich zukommen lassen, aber ich sage jetzt, dass ich nicht in der Westfalenliga aufhören möchte. Ich lasse mir nach oben keine Grenzen.“ Sein Bruder Marco wird es ihm sicher gönnen...