Atakan Karazor, Mittelfeldspieler vom VfB Stuttgart, wurde kurz nach seiner Entscheidung gegen die DFB-Elf erstmals für die türkische Fußball-Nationalmannschaft nominiert. Der Kapitän des Bundesligisten stand im Aufgebot für die Spiele in der Nations League gegen Montenegro (11. Oktober) und Island (14. Oktober).
Der gebürtige Essener, der sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, hatte sich in der Länderspielwoche sein Debüt für die Türkei erhofft. Dazu sollte es jedoch nicht kommen, denn sowohl beim 1:0-Erfolg der Türken gegen Montenegro als beim 4:2-Sieg gegen Island musste der 28-Jährige zuschauen.
Auf dem ersten Blick ist es verwunderlich, dass Karazor im ersten Spiel gegen den Balkanstaat nicht einmal im Kader stand. Aus "technischen Gründen", wie es hieß. Hintergrund könnten zumindest zum Teil die Vorwürfe der sexuellen Nötigung aus dem Jahr 2022 sein. Damals saß Karazor auf Ibiza mehrere Wochen in U-Haft und war unter Auflagen sowie gegen eine Kaution von 500.000 Euro freigekommen. Das Ermittlungsverfahren zieht sich seitdem hin und eine Anklageerhebung ist bislang nicht erfolgt. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Da das Thema sexualisierte Gewalt in der Türkei aktuell hochkocht, wurde auch der Fall Karazor aus dem Jahr 2022 medial aufgegriffen, nachdem Nationaltrainer Vincenzo Montella den Mittelfeldmann des VfB für die beiden nun absolvierten Länderspiele nominiert hatte. Doch offenbar bekam man beim türkischen Verband kalte Füße, zumindest erweckt der Ablauf der Dinge diesen Eindruck.
Am Montagabend in Reykjavik stand Karazor zumindest im Kader. Spielen durfte er allerdings nicht beim 4:2 gegen Island. Wobei sich die Nicht-Einwechslung durchaus sportlich begründen lässt aufgrund des engen Spielverlaufs, die entscheidenden Treffer für die Türkei von Arda Güler und Kerem Aktürkoglu fielen erst in der 88. Minute und in der Nachspielzeit. Zudem war der VfB-Profi nicht der einzige Profi im Kader, der ohne Einsatzminuten blieb.
Dennoch wirft der Umgang des Verbands durchaus Fragen auf, zumal sich Karazor hätte "festspielen" können, theoretisch kann er ja auch für die deutsche Nationalelf auflaufen. Außerdem liegt der Ibiza-Vorfall, der für die Nichtberufung in den Kader gegen Montenegro ursächlich sein könnte, mehr als zwei Jahre zurück. In der Türkei hätte diese Diskussion niemanden überraschen dürfen. Möglich, dass sich die VfB-Verantwortlichen in den nächsten Tagen bei den Funktionären des türkischen Verbands TFF über die Hintergründe erkundigen werden.