EM-Tagebuch: Tag 11

Frust, Enttäuschung und Leere

Ich habe es in meinen Tagebüchern immer betont, wie sehr ich mit Polen verbunden bin. Leider haben die polnischen Fußballer die über 60 Millionen Polen, die auf der ganzen Welt leben sollen, zum dritten Mal in Folge bitter enttäuscht. Denn schon bei der WM 2006 und EM 2008 wurde die Kadra aufgrund der Nähe zu Deutschland, Österreich und der Schweiz, sowie den unzähligen polnischen Migranten in diesem Drei-Länder-Eck, fast wie bei einem Heim-Turnier unterstüzt. Doch die weiß-roten Adler schieden immer sang- und klanglos in der Gruppenphase aus.

Alles guten Dinge sind doch drei, oder...?!

2012, im dritten Anlauf, daheim in Polen, sollte endlich ein polnisches Fußball-Sommermärchen gefeiert werden. Vor allem nach der Auslosung der EM-Gruppen. Bis zum 16. Juni, 21.15 Uhr lief auch alles darauf hinaus. Die Smuda-Elf spielte die ersten beiden Spiele ordentlich und die ersten 30 Minuten den Nachbarn aus Tschechien an die Wand. Doch allen voran die Bundesliga-Legionäre Robert Lewandowski, Jakub Blaszczykowski, Sebastian Boenisch und Eugen Polanski verballerten die besten Situationen - fast im Minutentakt. Es kam, wie es kommen musste. Die Polen schienen nach knapp 30, 35 Minuten mit dem Latein am Ende zu sein und ließen auch den Gedanken zu "überpaced" zu haben. Denn danach spielte nur noch Tschechien und siegte am Ende verdient.

"Ich dachte, dass ich noch besoffen bin"

Ich begab mich am gestrigen Tag schon gegen zwölf Uhr zum Breslauer Marktplatz, die Stimmung war der pure Wahnsinn. Die Menschenmenge, die Fröhlichkeit, sowie der Optimismus der Leute war überragend. Das Wetter mit den über 30 Grad Celsius sorgte für ein wahres Sommermärchen. Der Traum aller Polen von einem polnischen Revival des deutschen Zaubers von 2006 war sehr nahe, man konnte es fast spüren. Niemand, wirklich kein einziger Mensch, den ich ansprach (und ich habe sicherlich gefühlte hunderte Landsleute befragt), konnte sich ein Horror-Szenario vorstellen. Es ging auf dem Marktplatz feucht-fröhlich her.

Manch einer hat sicherlich ein wenig mit dem guten polnischen Bier übertrieben und das Spiel gar nicht erst mitbekommen. So auch Przemyslaw aus Katowice, den ich nach dem Spiel im Taxi traf und bei ihm Spuren einer Infusion erblicken konnte. "Alter, mich hat es richtig erwischt. Ich hatte eine Alkoholvergiftung und habe nichts vom Spiel mitbekommen. Als ich das Ergebnis gehört habe, dachte ich, dass ich noch besoffen bin. Ich kann es einfach nicht glauben, dass elf Jungs unsere ganze Nation enttäuschen. Ich glaube nicht mehr an Gerechtigkeit in diesem Leben. Wir Polen haben einfach kein Glück und das vor allem im Fußball", sprach Przemyslaw das aus, was an diesem Abend wohl die ganze Nation dachte.

Großer Traum adé!

Mein Traum war ein Viertelfinale Polen gegen Deutschland, so ein Spiel in Polen bei einer EM, in meiner Heimat in der Nähe von Gdansk, wäre die Erfüllung aller meiner Fan-Träume gewesen. Polen hätte nur gegen Tschechien gewinnen müssen und Deutschland heute nicht verlieren dürfen. Eigentlich war das Spiel schon gebucht. Und dann, das...

Auf geht`s Deutschland

Aber wie würde Dragoslav Stepanovic an dieser Stelle sagen: “Lebbe geht weida”! Und es muss. Für mich ab Dienstagmorgen wieder in good old Germany. Am Montag bin ich noch beim Spiel zwischen Spanien und Kroatien in Danzig. Danach steht am Dienstag um 6.05 Uhr der Rückflug nach Dortmund an. Und ich freue mich schon jetzt mit meinen Freunden und Kollegen vom RevierSport der deutschen Mannschaft fest die Daumen zu drücken und vielleicht auch das ein oder andere Public Viewing in Essen mitzuerleben. Denn wenn jetzt jemand das Turnier gewinnen soll, dann sind das meine Freunde aus Deutschland!