Nach dem ich am Donnerstag nach dem berüchtigten 20-Stunden-Kurztrip in Warschau, wohlgemerkt fast ohne jeglichen Schlaf, angekommen war, begab ich mich nach einer erfrischenden Dusche in meinem "Hotelik Pirs" im Warschauer Stadtteil Ursus, zur Eröffnung der größten Fanzone der diesjährigen EM am Kulturpalast der polnischen Hauptstadt. Bei den Spielen wird es an diesem Ort, dem Plac Defilad, ein Public Viewing für circa 120.000 Menschen geben. Gestern fanden knapp 50.000 Fans den Weg ins Warschauer Zentrum.
Die Stimmung war etwas merkwürdig oder besser gesagt (noch) verhalten. Von den anwesenden Leuten in der Warschauer Fanzone waren mit Sicherheit 95 Prozent Polen. Die Anhänger der Weiß-Roten hielten sich in Sachen Party noch etwas zurück. "Wir müssen uns erst einmal herantasten. Glauben Sie mir, wenn wir morgen die Griechen putzen, dann geht`s hier richtig ab", versprach mir Tomek, der aus der polnischen Winter-Hochburg Zakopane mit seinen vier Kumpels angereist war.
Dass die polnischen Anhängerschaft noch etwas eingeheizt werden muss, bemerkte auch der schottische Sänger Ray Wilson der Gruppe "Projekt Genesis", der das Mitmachen der Fans bei Phil Collins Coverstück "In the air tonight" vermisste und die polnische Menschenmenge fragte "What`s up? You need some Vodka?" Die Fußballfans beließen es an diesem Abend lieber beim frischgezapften Pils, das für 8 Zlotych (zwei Euro) zu haben war. Für einen 0,4-Liter-Becker kann man sicherlich nicht meckern. Auch ansonsten ist die Preisliste in Sachen Verpflegung fan-freundlich. "Das ist schon okay. Wir können bei der EM ja keine Tiefpreise erwarten. Es sind aber auch keine übertriebenen Forderungen dabei. Außer die Schwarzmarktpreise", lacht Krzysiek aus Gdynia, der noch auf der Suche nach einem Ticket für das Eröffnungsspiel war. "Ein Araber wollte 2000 Zlotych (500 Euro) von mir haben. Ich habe ihm nur den Vogel gezeigt", berichtet Krzysiek.
Ich zahle 500 Euro, der Kasache 3500...
Apropos Preise. Gegen 24 Uhr verließ ich nach Taio Cruzs "Hangover" den Platz und begab mich per Bahn zurück nach Warschau-Ursus. Ich habe ein Tagesticket für zwöf Zlotych (drei Euro) für alle öffentlichen Verkehrsmittel der Stadt erworben. Ebenfalls ein guter Kurs. Auch im Hotel konnte ich noch einen guten Preis erzielen. Für meine sechs Nächte in der polnischen Hauptstadt zahle ich für meine Zwei-Sterne-Unterkunft 2000 Zlotych (500 Euro) inklusive Frühstück. Dabei wollte die Hausdame erst einmal 3000 Zlotych von mir haben, doch nach ein wenig Feilscherei in der Muttersprache konnte ich den Preis um 1000 Zlotych (250 Euro) drücken.
Anders erging es da einem kasachischen Oligarchen. "Er hat ein Doppelzimmer für sechs Nächte, ebenfalls wie sie vom 7. bis zum 13. Juni bei uns gebucht und satte 14.000 Zlotych (3500 Euro!) für die sechs Nächte bezahlt. Per Internet hat unser Chef diese Summe Anfang Mai noch gefordert", erzählte mir die Rezeptionistin Aneta. Das Zimmer des Kasachen unterscheidet sich von meinem nur durch zwei Details: es hat zwei Betten und einen Balkon. Am Freitagmorgen erblickte ich das kasachische Pärchen im Russland-Outfit beim Frühstück. Irgendwie konnte ich mir ein schadenfreudiges Lachen nicht verkneifen. Ich dachte mir: "Wenn die Russen nur wüssten, wie viel ich bezahlt habe..." Aber wahrscheinlich sind diese 14.000 Zlotych für Herrn Dimitrov aus Astana nur Peanuts.
Gleich mache ich mich in Richtung Fanzone auf, werde wie Ralf Piorr in der "Wettervorhersage" einen Schein machen und mich gegen 16 Uhr ins Nationalstadion begeben. Mein Tipp für Polen gegen Griechenland? 2:0-Sieg für Polska durch einen Doppelpack von Robert Lewandowski und dann geht`s hier richtig ab, wie Tomek aus Zakopane schon gestern prophezeite.