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EM-Tagebuch: Tag 8
Mafia-Boss und die Boys in green

EM-Tagebuch, Tag 8:  Der Mafia-Boss und die Boys in green
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Heute muss das Tagebuch mit etwas Verspätung veröffentlicht werden. Denn gestern, das muss ich auch mal zugeben, habe ich ein bisschen zu viel gefeiert.

Aber Journalisten sind auch nur Menschen. Die Gründe für meinen ausschweifenden Abend waren: Dragan aus Zadar und die Boys in green. Der Reihe nach.


Um 12.05 Uhr nahm ich den Zug von Warschau nach Posen, inklusive Weiterfahrt nach Swarzedz, meiner Unterkunft im Hotel "3". Eine 30.000-Einwohner-Stadt, knappe 15 Kilometer vom Stadtkern Posens entfernt. Gegen 17 Uhr in Swarzedz angekommen, habe ich auf meinem Hotelzimmer das Spiel der Portugiesen gegen Dänemark verfolgt - geile 90 Minuten für jeden Fußballverrückten. Nach der Begegnung bin ich ins örtliche Restaurant gegangen und habe mir dort acht Pierogis (deutsch: Teigtaschen, polnisches Nationalgericht) inklusive einem 0,4-Liter-Pils bestellt. Das alles für schlappe fünf Euro. 20 Minuten vor dem Rivalenduell Deutschland gegen Holland habe ich mich wieder in Richtung Hotel "3" begeben. Im Nachhinein ein Fehler.

"Junge, wie kannst du nur in Deutschland leben?

Dort in der Hotel-Bar am Empfang angekommen begrüßten mich acht Kroaten und sechs Iren. Mit "Hrvatska"-Rufen und "Polska and the Boys in green"-Gesängen. Die Kroaten zwangen mich quasi, einen Wodka mit ihnen zu trinken und es sollte nicht beim ersten Pinneken zu Ende gehen. "Junge, wie kannst du nur in Deutschland leben? Wo dieses Land doch so geil ist?", fragten mich die Anhänger aus Kroatien.

"Das ist ein Gangster, ein Mafia-Boss."

Vor allem Dragan, aus Zadar, hatte es mir an diesem Abend angetan. Zuvor hatte ich noch im Zug in der Mittwochsausgabe des "Przeglad Sportowy" einen Bericht über Zdravko Mamic gelesen, den Mäzen von Dinamo Zagreb und Bruder des ehemaligen Bochumers Zlatko Mamic. Einen Artikel über den ich die ganze Zeit lang nur mit dem Kopf geschüttelt habe. Warum? Weil dieser Mann wohl der größte Verbrecher im europäischen Fußball ist. "Das ist ein Gangster, ein Mafia-Boss. Er hat Verträge mit den Spielern ausgehandelt, die ihm bei Transfers dieser Spieler viele Millionen einbringen. Und auch beim Tod. So heißt es in einer Klausel von Eduardo (Schachtjor Donezk), dass der Junge beim Tod sein ganzes Vermögen an Mamic verliert. Zdravko Mamic ist der größte Verbrecher in Kroatien", erklärte mir Zdravko aus Zadar. Der Bericht im "Przeglad Sportowy" bestätigte mir diese Aussagen.

Nach dem fünften oder sechsten Pinneken hatte ich keine Lust mehr auf die Geschichten über den Paten Mamic und gesellte mich zu den Jungs aus Cork. Die zweite Halbzeit zwischen Jogis Truppe und Holland lief zu diesem Zeitpunkt.

"Polska and the Boys in green", so begrüßten mich die Kollegen aus Irland. "Ihr habt wirklich ein überragendes Land. Wir können einfach nicht verstehen, warum so viele polnische Studenten ihr Glück als Hilfskräfte auf der britischen Insel suchen, wenn euer Land doch so geil ist", sagte mir Steve aus Cork.

Ich kann es leider nachvollziehen. Denn der polnischen Politik fehlt es noch an vielem, um ein sozial fürsorglicher Staat zu werden. Irgendwo haben wir auch einen Zdravko Mamic sitzen. Nicht umsonst suchen meine Cousinen und Cousins nach abgeschlossenen Studien gerne (!) das Weite. Na ja, anderes Thema.

Heute schlägt mein Herz nach den gestrigen Gesprächen natürlich kroatisch und irisch. Ich hoffe auf einen Sieg von Hrvatska und den Boys in green. Zocken werde ich aber nicht mehr, denn das Orakel in Person von Ralf Piorr hat mich im Stich gelassen...

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