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"Ich bin ein böser Mensch"

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Schalke-Blog: "Ich bin ein böser Mensch"

Unser Schalke-Blogger hat sich vor dem großen Derby am Samstag in Dortmund mit einer unter Beschuss stehenden Spezies befasst: Dem Fußballfan!

Ob meine Frau eigentlich weiß, dass ihr Ehemann neuerdings zu einem Kriminellen mutiert ist? Sechzehn lange Ehejahre hat es gedauert, bis die scheinbar bürgerliche Fassade meines Daseins eingerissen wurde und die dahinter liegende Fratze einer schlimmen, schlimmen Subkultur zum Vorschein kam. Ja, ich gestehe: Ich bin Angehöriger einer mehr und mehr unerwünschten Spezies, deren Ausrottung nur noch eine Frage der Zeit ist. Ich bin Fußballfan!

Ich stehe nicht nur beim Torjubel auf, ich mag den Anblick einer pyrotechnisch verschönten Kurve, ich rauche im Stadion, ich trinke Bier, ich gröhle, ich pfeife gegnerische Spieler aus und schleudere gegnerischen Fans Schmähgesänge entgegen. Ich pflege meine Feindbilder. Abgerundet wird dieses schändliche Tun noch dadurch, dass es mich herzlich wenig interessiert, ob einer der von mir zeitweise beschimpften Protagonisten – seien es Spieler, Trainer oder Schiedsrichter – dem Druck der Kulisse nicht standhält. Ich bin ein böser Mensch. Für mich ist ein Fußballspiel keine von mir gesponsorte Therapiestunde für überforderte Einzelschicksale.


Ich liebe die Rivalität, die neunzig Minuten währende Konfrontation mit einem sportlichen Gegner, an deren Ende ich das Glücksgefühl des Sieges genießen darf, oder die Schmach der Niederlage tragen muss. Dafür bezahle ich Eintritt, dafür nehme ich im Laufe einer Saison tausende Kilometer Wegstrecke auf mich. Und dafür will ich sein dürfen, was ich immer war – subjektiv und emotional. Was kann daran falsch sein?

Nennt mich altmodisch, aber die einzige, wirkliche Nähe zum Ereignis Profifußball und zu meinem Fußballverein ist und bleibt für mich der Stadionbesuch. Ich lasse mir nicht vorgaukeln, dass ich schon alleine deshalb Fan bin, weil ich einen Bezahlsender gebucht habe, weil die neueste Trikotkollektion bei mir im Schrank hängt, oder weil ich auf den unzähligen Internetplattformen meinen Kommentar zu den künstlichen Hupen irgendeiner dümmlichen Spielerbraut absondern darf. Wenn mitteilungsbedürftige Internetkommunarden im Stundentakt ihren Gerüchtemüll über die andächtig vorm Computer versammelte Buddy-Gemeinde ausschütten, befällt mich das gleiche Ekelgefühl, als hätte eine nicht immer nur in Ehren ergraute Lichtgestalt des deutschen Fußballs gerade die Abschaffung aller Stehplätze gefordert. Ob virtuelle Parallelweltbastler oder berufsempörte Marionetten – mit dem, was Fußball tatsächlich ist und sein kann, haben diese wahrnehmungsgestörten Figuren nichts mehr zu tun!

Morgen ist Derbytag. Morgen spielt Königsblau bei Schwattgelb. Morgen werde ich im Stadion sein und zwar – man höre und staune! – ohne jede Angst um die Unversehrtheit von Leib und Seele. Das Derbyfieber kommt auf Temperaturen. Und solange dieses einmalige Erlebnis noch nicht zu einer keimfreien Veranstaltung auf dem Niveau eines Familienbesuches im Freizeitparkt verkommen ist, und solange das nächste Gerücht aus südamerikanischen Quellen noch keine Tore schießt, wird meine Frau ihre schwere Last auch weiterhin tragen müssen. Ich bin nämlich ein Fußballfan, ein stinknormaler Fußballfan!

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