Christian Grewe, in Heessen stand in der letzten Saison der Landesliga-Abstiegskampf für Sie an und mit der Bundeswehr-Nationalmannschaft gewinnen Sie zwischendurch ein Vier-Länder-Turnier in Luxemburg!
Das ist natürlich nicht alltäglich. Ich komme aus der Landesliga und spiele dann bei der Bundeswehr in der Nationalmannschaft. Erst kämpft man um den Klassenerhalt, dann fliegst Du nach einem Liga-Match nach Luxemburg zu einem internationalen Turnier mit Gegnern aus Belgien, Holland und anderen Länder. Das ist sofort ein ganz anderes Bild. Du trittst da mit Leuten aus der Ober- und Verbandsliga an, einer ist sogar aus der Regionalliga, Andreas Gerdes von Kickers Emden. Das genießt man dann auch. Ich muss gestehen, dass ich schon stolz bin, dass man mich da in die Auswahl berufen hat. Wie sind Sie in den Kader der Nationalmannschaft gekommen?
2005 gehörte ich zur Bundeswehrelf, das war die Heeresauswahl, mit der wir den BM-Cup gewonnen haben. Da treten alle Teilstreitkräfte, wie zum Beispiel Heer, Marine oder Luftwaffe, gegeneinander an. Letztes Jahr musste ich in den Kosovo und habe den BM-Cup verpasst. Nachdem der Einsatz zu Ende war, bekam ich im Januar dieses Jahres einen Anruf vom Betreuerstab der Nationalmannschaft und bin in den Kader berufen worden. Das habe ich erst für einen Scherz gehalten. Aber es war keiner, ich sollte zum Sichtungs-Lehrgang nach Idar-Oberstein kommen.
Wie ist der Lehrgang verlaufen?
Wir haben dabei gegen Idar-Oberstein und einen Landesligisten gespielt. Da habe ich dann wohl ein gutes Bild hinterlassen und am Montag danach wurde ich direkt angerufen, dass ich im Kader für das Turnier in Luxemburg sei.
Wie kommt man denn überhaupt in die Bundeswehr-Nationalmannschaft?
Das Heeresführungskommando gibt einen Befehl raus. Der lautete bei uns, dass sich alle Soldaten, die in der Verbandsliga Fußball spielen oder mal gespielt haben, melden sollen. Dieser Befehl geht dann runter bis zu den Kompanien. Und wer sich dann gemeldet hat, wird wieder nach oben zurückgeleitet. Und so fing das an. Ich war dann bei einem Auswahl-Lehrgang in Aachen. Zwei Monate später war ich wieder bei einem Trainingslager und gehörte danach zur Heeresauswahl. Offenbar haben die sich da mein Gesicht gemerkt und sofort angerufen, als ich vom Einsatz zurück war.
Sind die Auswahlverfahren regional unterteilt?
Heessens Christian Grewe beim Liga-Alltag.
Nein, es werden immer Spieler aus ganz Deutschland zusammengezogen. Meine erste Einladung von der Heeresauswahl war nach Aachen. Und in Idar-Oberstein kamen die Kicker der gesamten Streitkräfte zusammen.
Von wem werden Sie trainiert?
Günter Lang und Mario Himsl. Die beiden sind DFB-Stützpunkt-Trainer mit einer A-Lizenz. Mittlerweile sind beide Zivile, aber sie sind Reservisten und waren vorher bei der Bundeswehr. Dieser Status muss auch sein. Wie viele Akteure werden in der Regel zusammengezogen?
Das bewegt sich zwischen 20 und 25 Mann. Der WM-Kader wird ungefähr 18 Spieler umfassen.
Mit Landesliga-Status sind Sie eher einer der Niedrigklassigen?
Das ist nicht so ganz richtig. Wir haben sogar einen Spieler, der in der Kreisliga B kickt. Das habe ich selbst auch erst in Luxemburg erfahren. Die haben aber alle mal höherklassig gespielt. Rolf Stendel zum Beispiel hat in der 2. Bundesliga bei Fortuna Köln gespielt und ist jetzt aufgrund seines Alters runtergegangen in die Kreisliga B. Aus dem Saarland ist auch einer aus der Bezirksliga dabei. Insgesamt hat mir das Turnier gezeigt, dass ich gar nicht so weit unten aktiv bin.
Komisch ist doch sicher das Gefühl, wenn man nach einem Lehrgang oder Turnier wieder im Fußball-Alltag ankommt, oder?
Sicher. Du kommst von der Nationalmannschaft und hast mit den besten Fußballern aus ganz Deutschland zusammengespielt, die die Bundeswehr zu bieten hat. Und dann gehst Du in den Abstiegskampf der Landesliga 4, musst in Hassel antreten und spielst 1:1. Da ist man wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt worden. Andererseits zählen die anderen ja auch auf Dich und Du musst wieder für die Mannschaft reinhauen und das macht auch richtig Spaß.
Kommen wir zur Weltmeisterschaft. Gehen Sie davon aus, dabei zu sein?
Das entscheidet die jeweils aktuelle Verfassung. Ich gehöre zum Kader und wir werden bei jeder Sichtung bewertet und wenn man gut drauf ist, wird man wieder eingeladen. Wir haben im Juli wieder eine Art Trainingslager und spielen dann gegen Kaiserslautern oder Mainz. Das sind Benefiz-Spiele gegen Profi-Mannschaften. Für den August ist ein Spiel gegen Meister Stuttgart vorgesehen, Aachen ist auch irgendwann dabei. Das sind dann die letzten Härtetests, bevor es nach Indien geht. Und wer letztendlich dahin mitreist, steht nach Aussagen der Trainer immer offen. Natürlich ist die Teilnahme ein Traum von mir, aber ich wäre jetzt auch nicht traurig darüber, wenn es dann heißt: Nee, Christian, Du bist nicht dabei. Dann hat es halt nicht sollen sein. Das ist also durchaus mit der A-Nationalmannschaft zu vergleichen?
Das ist genauso, wie ich es mir bei Joachim Löw vorstelle. Da die mich aber erstaunlicherweise noch nicht angerufen haben, weiß ich das natürlich nicht so genau. Es ist bei uns ein normales Auswahlverfahren, es herrscht großer, positiver Druck, und wenn man in Luxemburg dabei war und die Trainer einen nicht nur als Spieler, sondern auch als Typ kennen, ist das schon von Vorteil. Allerdings werden noch Profis oder Halbprofis aus der Regionalliga zum Kader stoßen, die zu den Vormaßnahmen nicht immer eingeladen werden, weil es einfach unsinnig ist, an deren Fähigkeiten zu zweifeln. Andreas Gerdes ist aber einer der wenigen Soldaten darunter, der Rest sind Reservisten. Gehören die Reservisten und auch Wehrpflichtige, die in der Sportkompanie trainieren und sonst am normalen Liga-Alltag teilnehmen, auch zur Bundeswehr-Nationalmannschaft? Welcher Bundesligist stellt seine Spieler für eine Bundeswehr-WM und einen dreiwöchigen Aufenthalt in Indien frei?
Wer letztlich von denen mit dabei sein könnte, weiß ich auch gar nicht und das warte ich einfach mal ab.
Gegen wen tritt die Nationalmannschaft in Indien an?
Die Auslosung hat noch nicht stattgefunden, aber unter anderem sind da Länder wie Brasilien, Irland, Griechenland und Ägypten dabei. Einige Teilnehmer stehen auch noch nicht fest, aber es werden 16 Nationen teilnehmen.
Wie ist die Qualifikation gelaufen?
Der Qualifikationsmodus ähnelt dem der Nationalmannschaft. Wir haben uns in einer Gruppe gegen Italien und Litauen durchgesetzt. Die Kontinente sind wie bei der FIFA unterteilt, also gibt es Südamerika-Gruppen, Europa-Gruppen und Ozeanien-Gruppen. Aktueller Titelverteidiger ist Ägypten.
Die haben 2005 in Warendorf gewonnen. Das Problem ist, dass die immer alle Profis aus der Liga rekrutieren. Dort haben sie ein anderes Militärsystem. Da werden einfach mal Leute für drei Wochen wieder für das Militär rekrutiert und eingezogen. Genau wie bei den Griechen. Und wenn man dann gegen Leute von Panathinaikos Athen oder AEK Athen spielen muss, ist das nicht wirklich ein Spaß. Waren Sie schon mal in Indien und hat man überhaupt die Zeit, das Land kennen zu lernen?
Nein, da war ich noch nie. Inwieweit wir Zeit haben werden, wird sich zeigen müssen. Wenn ich dabei bin, geht es am 3. oder 4. Oktober los. Man muss sich da ja auch erst mal an die Zeitumstellung und die veränderten Luftbedingungen gewöhnen. Wie sieht Ihr jetziger Tagesablauf aus?
Ich leiste Dienst in der Logistik und bin im Büro tätig. Training für die Bundeswehr-Elf gibt es nur, wenn wir bei einem Lehrgang sind. Ansonsten geht jeder aus dem Kader ganz normal zum Vereinstraining. Wie sieht Ihre Zukunft in der Nationalelf aus?
Ich bin Zeitsoldat und 2009 fertig mit meinem Dienst. Wenn das mit der Nationalmannschaft weiterginge, würde ich überlegen, auch als Reservist zu bleiben, denn dann kann ich zu einer Übung einberufen werden und die wäre dann ein Lehrgang oder Turnier. Wie lauten Ihre Pläne für die Zeit nach der Bundeswehr?
Ich habe eine Lehre als Kaufmann im Einzelhandel gemacht, bin dann zur Bundeswehr und wurde verwendungsnah eingesetzt, also im Logistik-Bereich. Jetzt kann ich mich, bevor ich aus der Bundeswehr rausgehe, fortbilden und besuche daher eine Schule, um mich zum Diplom-Betriebswirt ausbilden zu lassen. Da geht der Beruf auch momentan absolut vor, so dass ich ein Jahr lang beim Fußball etwas kürzer treten werde.