Wie zwei weitere der 33 Bewerber für die Regionalliga muss der Dorfklub aus Kalkar Auflagen erfüllen, um vom Verband grünes Licht für den Sprung nach oben zu erhalten.
Während viele Konkurrenten den Aufstieg unbedingt realisieren wollen, ticken die Uhren am Niederrhein allerdings anders. Alexander Kehrmann, der als Vorstandsvorsitzender sowie Hauptsponsor seit Jahren die Geschicke des SV Hö.-Nie. leitet, lässt sich vom sportlichen Erfolg nicht blenden.
Im Gegenteil: Der Unternehmer sieht mit dem möglichen Aufstieg die Gefahr, dass der familiäre Verein auseinanderbrechen könnte. Deshalb wird er auch die Mitglieder befragen, ob die „Bullen“ im Falle der Lizenzerteilung überhaupt aufsteigen sollen. Im RS-Interview erinnert Kehrmann daran, dass Fußball nicht nur Geschäft sein muss.
Alexander Kehrmann, der FC Kray hat Protest gegen deren Niederlage bei RWO II eingereicht. Damit kann sich der Vorsprung auf den FCK am grünen Tisch wieder auf drei Zähler reduzieren. Welchen Einfluss hat das auf Ihr Team? Keinen, denn wir können nur abwarten, wie der Einspruch ausgeht und gleichzeitig unsere Hausaufgaben erledigen. Wir spielen noch gegen RWO II und müssen dann nach Ratingen. Die sind durch den Rückzug von RWE II zwar gerettet, nichtsdestotrotz werden sie uns nichts schenken. Keine leichten Aufgaben, aber die lösen wir.
Sportlich übertrumpft die Mannschaft alle Erwartungen. Aber wie sieht es bei den Auflagen für die Lizenz aus? Wir sind nicht der Verein, der seine Bewerbung zurückgezogen hat. Im Gegenteil: Wir haben nun die Baugenehmigungen der Stadt erhalten, die Aufträge sind raus und die Maßnahmen am Stadion werden umgesetzt. Das geschieht allerdings unabhängig von der Spielklasse, denn auch für die Oberliga ist es wichtig, dass wir bestimmte Voraussetzungen und Sicherheitsaspekte erfüllen. Wir stehen mit dem Verband in Kontakt und ich bin zuversichtlich, dass wir die Anforderungen erfüllen werden, auch wenn der Termin für die Bewertung eigentlich der 5. Mai gewesen ist.
Infrastrukturell dürften Sie die Baustellen also schließen. Aber wie soll eine Lösung bei der fehlenden Jugendarbeit aussehen? Die Bestimmungen besagen, dass jeder Regionalligist seit mindestens zwei Jahren eine C-, B- und A-Jugend haben muss. Das ist beim SV Hö.-Nie. nicht der Fall. Stimmt. Allerdings haben wir ab dem Sommer eine Bambini-, F- sowie E-Jugend, veranstalten seit Jahren Fußballlschulen und engagieren uns in der Jugendarbeit im Breitensport. Zudem pflegen wir im Fußball eine Kooperation mit der Jugendabteilung des SSV Rheintreu Lüttingen, sodass wir eigentlich alle Jugendteams besetzen. Klar ist aber doch, dass es mit gerade einmal 14.000 Einwohnern nicht möglich ist, eine funktionierende C-, B- und A-Jugend aufzubauen. Das werden wir nie schaffen, außer wir grasen alle Nachbarvereine ab. Doch das entspricht nicht unseren Vorstellungen, schließlich wollen wir wachsen und keine Kleinkriege mit unseren Nachbarn führen. Wenn die Lizenzvergabe daran scheitert, dann ist es eben so.
Eine wohltuend sachliche Feststellung. Natürlich, denn so ein Projekt wie die Regionalliga muss nüchtern betrachtet werden. Sicherlich möchten wir in der vierten Klasse spielen, trotzdem müssen wir die Probleme beleuchten. Ist es für uns möglich, dort zu spielen, ohne völlig am Rad zu drehen? Kann der Aufstieg mehr schaden als nutzen? Wir sprechen hier immerhin vom Profifußball. Hö.-Nie. in der Regionalliga wäre ein guter Gag, der aber wahrscheinlich nur ein Jahr zündet. Wir sollten also keinen Spinnereien frönen. Aber das ist eine Grundsatzfrage, die der Verein klären muss.
Was meinen Sie damit konkret? Für uns alle ist und bleibt der Sport ein Hobby. Unser Verein muss sich nicht darüber definieren, ob er bei „Eventim“ seine Karten verkauft. Vielleicht ist es auch eine Größe, nach der Meisterschaft und der erhaltenen Lizenz zu sagen, dass es die Zeit für den Aufstieg noch nicht reif ist. Doch diese Entscheidung werde ich nicht alleine tragen, sondern das wird auf einer Mitgliederversammlung entschieden. Um die Regionalliga stemmen zu können, brauchen wir alle 14 Tage Leute, die alles organisieren. Der Aufwand in der Freizeit wird sich also drastisch erhöhen. Wenn wir das Projekt angehen wollen, möchte ich 100 Unterschriften von Mitgliedern haben, die mir ihren Einsatz bestätigen – auch wenn es vielleicht die ersten Klatschen gesetzt hat und die Stimmung nicht mehr so euphorisch wie zurzeit ist.
Also wird demokratisch abgestimmt? Ja. Ein Verein funktioniert nur mit Menschen, die täglich für ihn arbeiten. Es ist nicht der Verein des Vorstands, sondern wir sind nur gewählt worden. Deshalb muss der Verein mitgenommen werden. In einer Firma kann anders gehandelt werden, nicht aber in einem Klub.
Sie schätzen die Situation realistisch ein. Wollen Sie überhaupt hoch? Klar will ich aufsteigen, aber ich sehe neben den organisatorischen Problemen auch die fehlende Nachhaltigkeit. Wenn selbst größere Vereine wie Kray oder Uerdingen dort Probleme haben, wie sollen wir es dann schaffen? Unser neuer Kader steht fest und wird nicht wieder komplett umgeworfen. Aber darf der Aufstieg dem Team überhaupt verwehrt werden? Wie oft können wir dann aber trainieren? Und wer kann den Aufwand mit dem Beruf kombinieren? Fragen, die wir mit der Mannschaft erörtern müssen.
Die Liga wartet auf eine schnelle Entscheidung. Wie sieht Ihr Fahrplan aus? Sobald wir Meister sind werde ich alle Mitglieder einladen, um auch dem Verband schnellstens eine Mitteilung geben zu können. Auch für uns muss es zügig gehen, denn die Jungs fliegen nach Mallorca und sollen dort wissen, was los ist. Bei allen Diskussionen möchte ich aber betonen, dass wir die erfolgreichste Phase der Vereinsgeschichte erleben und durch die Fernseh-Präsenz bundesweit im Gespräch sind. Das sollten wir mal genießen.
Wie erklären Sie sich diesen Erfolg? Kray oder Wuppertal haben die besseren Einzelspieler, aber wir sind eine Mannschaft. Und eine Mannschaft ist nur schwer zu schlagen. Warum wir so eine Einheit sind, ist auch klar: In unserem kleinen Kader gibt es wenig Futterneid, außerdem hatten wir keine schweren Verletzungen zu beklagen. Zudem ist unser Trainer mit seiner Art und Weise einfach klasse und wir gehen alle vernünftig miteinander um. Fast alle Funktionäre kommen aus den Dörfern und kennen sich schon lange. Auch wenn mal unterschiedliche Meinungen herrschen, ist niemand beleidigt. Im Gegenteil: Alle haben Bock auf den Klub. Uns allen ist dabei klar, dass wir immer der Dorfklub, der sich allerdings in der Region öffnen muss, bleiben wollen.