In den letzten Jahren hat man eher weniger von ihm gehört. Oft war der laufstarke und technisch-versierte Mittelfeldspieler verletzt. Die Rede ist von Tim Gorschlüter. Mit 37 Jahren hat er vor wenigen Monaten seine Karriere endgültig beendet.
Dabei hatte er noch eine Offerte vorliegen. "Ich hätte in meiner Heimat für den Landesligisten SG Bockum-Hövel spielen können. Aber ich habe gemerkt, dass ich nach zwei, drei Trainingseinheiten einfach nicht mehr so fit bin, wie ich es mir gewünscht hätte", erzählt Gorschlüter, der zum Ende seiner aktiven Laufbahn immer wieder Probleme mit der Hüfte hatte.
Trotzdem: Bockum-Hövel, in Person des Vereinsbosses Egbert Homann, hat Gorschlüter einen Weg nach der Karriere geebnet. Der gebürtige Hammer, der zuletzt als Teammanager bei den Sportfreunden Lotte fungierte, ist seit einiger Zeit im Finanzwesen tätig. "Ich kümmere mich überwiegend um die Baufinanzierung von Immobilien. Aber ich mache auch andere Dinge. Das Finanzwesen ist breit gefächert. Ich danke auf jeden Fall Herrn Homann, dass er mir diese Chance ermöglicht hat, obwohl ich seinem Klub nicht mehr auf dem Feld helfen kann", freut sich Gorschlüter, der auch ein abgeschlossenes Bachelor-Studium der Betriebswirtschaftslehre besitzt.
Gorschlüter: "Ich hätte mehr erreichen können"
46 Oberligaspiele, 85 Regionalliga-Partien, 174 Drittliga-Begegnungen und 39 Einsätze in der 2. Bundesliga: Die Karriere des Tim Gorschlüter kann sich allemal sehen lassen. Und trotzdem: gänzlich zufrieden scheint der 1,76-Meter-Mann, der einst im defensiven Mittelfeld spielte, nicht zu sein. "Ich habe früher immer die Spieler, die erzählt haben, dass sie mehr erreichen hätten können, belächelt. Heute muss ich sagen, dass ich genau zu diesen Leuten auch gehöre (lacht). Ich sage auch: Ich hätte mehr erreichen können. Das weiß man aber wirklich echt später, wenn es vorbei ist und man alles sacken lässt", sagt Gorschlüter.
Ein Beispiel, das er nennt: "Wenn ich sehe, wie die Profis sich heute ernähren, welche Möglichkeiten es da gibt, dann ist das schon etwas anderes als vor zehn oder 15 Jahren als ich noch in der 2. oder 3. Liga gespielt habe. Aber alles in allem bin ich mit meinem Weg schon einverstanden. Ich habe viel erlebt und gesehen. Das war schon eine tolle Zeit."
Gorschlüters Weg: Ahlen, Essen, zurück nach Ahlen, wieder nach Essen, Lotte, erneut Ahlen und zurück nach Lotte
Vor allem bei Rot Weiss Ahlen und Sportfreunde Lotte hat Gorschlüter seine Spuren hinterlassen. "Mit Ahlen durfte ich in der 2. Bundesliga spielen. Das war schon geil und aufregend. Mit Lotte hatte ich eine super Zeit. Vor allem die Zeit unter Ismail Atalan und Jo Laumann. Wir hatten eine tolle Mannschaft beisammen und haben große Erfolge gefeiert. Auch wenn ich aufgrund meines Verletzungspechs nicht immer mit dabei sein durfte, bleiben viele Momente unvergessen."
In der Saison 2016/2017 konnte der damalige Drittligist Sportfreunde Lotte im DFB-Pokal 1860 München, Bayer Leverkusen und Werder Bremen ausschalten. Endstation war erst im Viertelfinale gegen Borussia Dortmund (0:3).
Heute blickt er etwas distanziert in Richtung Lotte. Dabei hat Gorschlüter für den Verein aus dem Tecklenburger Land 198 Spiele bestritten. "Es hat sich vieles verändert. Der Verein wird anders geführt als zu meiner aktiven Zeit. Die Sportfreunde sind im Abstiegskampf der Regionalliga. Wenn sie absteigen, dann war es das für den Verein. Ich lege mich mal fest: Der Klub hat die beste Zeit hinter sich. Ich durfte sie glücklicherweise miterleben."
"Ich drücke Rot-Weiss Essen die Daumen. Dieser Verein muss endlich durchstarten"
Zwei Jahre trug Gorschlüter auch das Trikot von Rot-Weiss Essen - dem Deutschen Meister von 1955. Eine Riesen-Ehre, wie er heute gegenüber RevierSport erzählt: "Ganz ehrlich: Ich wusste damals bei meinem Wechsel gar nicht, dass RWE so groß, so wuchtig ist. Das habe ich dann aber schnell gemerkt (lacht). Schon bei den Autogrammstunden in irgendwelchen Sparkassen-Filialen oder anderswo, war die Hölle los. Plötzlich hatte ich keine Karten mehr. Das kannte ich aus Ahlen gar nicht. Bei RWE habe ich einfach eine andere Welt kennengelernt. Aber die ist auch sehr speziell."
Gorschlüter erklärt weiter: "Die Fans sind verrückt. Und: Sie haben leider auch manchmal die Spieler verrückt gemacht. Wenn ich mich da an Ferhat Kiskanc erinnere. Der hatte da wirklich manchmal an der Seitenlinie zu kämpfen - mit den eigenen Fans. Aber insgesamt, klar: Dieses Publikum in Essen ist schon der Hammer. Man muss nur sehr stark im Kopf sein, um damit umzugehen."
Aktuell liegt RWE auf einem guten Weg Richtung 3. Liga - dem ersehnten Aufstieg nach über einem Jahrzehnt. Und das alles findet seit einem runden Jahr ohne Zuschauer statt. "Ganz ehrlich: Irgendwo überrascht mich das nicht. Aber ich glaube, dass die aktuelle Mannschaft auch mit den Fans gut spielen könnte. Da sind wirklich coole Typen dabei. Mit Simon Engelmann habe ich noch in Lotte zusammengespielt. Ich gönne Essen den Aufstieg. Ich drücke Rot-Weiss Essen die Daumen. Dieser Verein muss endlich durchstarten." Das will auch Tim Gorschlüter: in der Finanzbranche.