Es war irgendwie schon eine denkwürdige Mitgliederversammlung von Rot-Weiss Essen. Viel war im Vorfeld geunkt worden, was passieren würde. Auch aufgrund eines Plakats vor dem Anpfiff der JHV, auf dem stand: "Aufsichtsrat nicht entlasten."
Am Ende bleibt das Fazit: Obwohl die Zahlen stimmen und die Profis zuletzt zweimal gewinnen konnten, gehen gefühlt fast alle handelnden Personen als gefühlter Verlierer aus diesem Tag. Zwar wurden der Vorstand und der Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr 2023 und das Rumpfjahr 2024 (1.1. - 30.06 2024) entlastet, damit enden aber auch die guten Nachrichten.
Denn...
... im Vorfeld der Veranstaltung echauffierten sich viele RWE-Mitglieder über den Aufsichtsrat oder den bisher zu unsichtbar agierenden aktuellen Vorstand, ob in den Foren, sozialen Medien oder im Stadion durch Plakate. Bei der Mitgliederversammlung verpassten sie es, kritisch nachzufragen. Fast alles wurde durchgewunken, Nachfragen kamen quasi gar nicht auf. So schlimm kann es also nicht sein, wenn eine Chance zur Nachfrage so fahrlässig verpasst wird.
... trotzdem setzten die Mitglieder ein Zeichen und tauschten zwei Personen im Wahlausschuss aus. Dieter Gruber und Klaus Grewer sind raus, Nicole Neugebauer und Stefan Lantermann rücken auf. Damit kann der Wahlausschuss seine Arbeit nicht so fortsetzen wie geplant, was ihn und den Aufsichtsrat auch zu Verlierern macht, denn nun müssen sie mehr denn je befürchten, dass im kommenden Jahr vor der Wahl zum neuen Aufsichtsrat auch Kandidaten vom Wahlausschuss durchgewunken und nominiert werden, die für RWE einen anderen Weg sehen als der aktuelle Aufsichtsrat.
... vor der Wahl zum Wahlausschuss hatte der Aufsichtsrat auf Attacke-Modus geschaltet. An diesem Sonntag waren sie die einzigen, die die Krallen ausfuhren. Und das gleich doppelt in Form von Aufsichtsratsboss Lothar Oelert. Erst warf er Ex-Vorstand Sascha Peljhan vor, dieser habe versucht, bestimmte Personalien durchzudrücken, indem er das an sein Sponsoring geknüpft habe.
Dann gab er bekannt, dass Peljhan Ex-Boss Marcus Uhlig einen Gehaltsvorschuss von rund 15.000 Euro gewährt habe. Dieser sei inzwischen zurückgezahlt worden, aber möglicherweise nicht mit der Satzung vereinbar, so Oelert. Was also offenbar noch zu klären sein wird, was es noch fragwürdiger macht, mit einem offenbar nicht mal abgeschlossenen Vorgang so an die Öffentlichkeit zu gehen.
Stimmen diese Vorwürfe, werfen diese natürlich auch einen Schatten auf die Amtszeit von Uhlig und Peljhan - die spätestens jetzt auch zu den Verlierern des Tages zählten. Denn im Abschluss wurde mehr über dieses Thema getuschelt als über den Rest der Veranstaltung.
Aber nach diesen Veröffentlichungen wird auch jeder verstehen, dass trotz vieler Dementis das Verhältnis zwischen Aufsichtsrat und Peljhan / Uhlig schlechter kaum hätte sein können. Immer wieder hieß es - auch zu Beginn des Jahres 2024 - man würde gut zusammenarbeiten, das kann nun beruhigt in den Bereich der Märchen abgetan werden.
Und die Mitglieder? Die schluckten sogar diese beiden Meldungen fast ohne Nachfrage, als sei in den Getränken in der Messe Essen Beruhigungstee gewesen. Nicht mal die Mitglieder, die im Vorfeld der JHV verlauten ließen, sich am Sonntag zu zeigen, um mit Blick auf die Aufsichtsratswahlen 2025 kritische Fragen zu stellen, zeigten sich.
Vielleicht waren sie - wie die restlichen Anwesenden - auch einfach zufrieden mit den Zahlen, die am Anfang der Veranstaltung präsentiert wurden. Denn die waren tatsächlich in Ordnung, es ist nicht selbstredend, dass ein Drittligist ein Mini-Plus präsentieren kann. Dieses ist noch auf die Zeit von Uhlig und Peljhan zurückzuführen, das nur für das Protokoll.
Auch die Aussicht scheint zu stimmen, wenn die Zahlen, die Vorstandsmitglied Alexander Rang beim Sponsoring, bei den Trikotverkäufen oder dem Hospitality-Bereich präsentierte, sich so weiter entwickeln.
Bleibt festzuhalten: Zwei Sieger gibt es doch noch. Denn Marc-Nicolai Pfeifer und Rang präsentierten eine ordentliche Bilanz und einen optimistischen Ausblick. Finanziell gab es schon schlimmere Phasen bei RWE, das ist sicher.
Doch hinter den Kulissen scheint es schlimmer gewesen zu sein, als man hätte erahnen können, wenn solche Themen wie am Sonntag nicht intern aufgearbeitet, sondern auf einer JHV publik gemacht werden.
Und wer austeilt, der muss auch einstecken können. Man darf gespannt sein, ob es Reaktionen auf die Veröffentlichungen von Oelert geben wird. Ruhe wird nach dieser JHV bei RWE vermutlich erstmal nicht einkehren.