Die Konkurrenz um die ersten fünf Plätze, die zum Einzug ins internationale Geschäft berechtigen, ist in diesem Jahr aber größer geworden. Ist es richtig und realistisch, diese hohen Ansprüche aufrecht zu erhalten?
Es ist richtig, dass es in diesem Jahr schwieriger wird, denn hinter uns sind mit Bremen, Wolfsburg und Stuttgart noch drei Mannschaften, die nach oben wollen. Und die vor uns stehen, werden ihren Platz sowieso verteidigen wollen. Ich möchte keine Hochrechnung bis zum Mai anstellen, sondern wir müssen Schritt für Schritt vorgehen. Zum jetzigen Zeitpunkt bin ich nicht bereit, unsere Saisonziele nach unten zu korrigieren. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass wir bei einem entsprechenden Start sehr schnell nach oben aufschließen können.
Das große Manko innerhalb der Mannschaft ist doch, dass sie nicht torgefährlich genug ist. Warum versuchen Sie nicht unter allen Umständen, bis Ende Januar noch einen Spieler zu holen, der diese Fähigkeit mitbringt?
Weil in dieser Transferperiode die Chancen, einen Spieler zu bekommen, der uns auf einer gewissen Position sofort weiterbringt, sehr gering sind. Natürlich sind wir, wie auch die anderen Mannschaften von oben, immer auf der Suche nach Verbesserungen im Kader. Doch es muss sinnvoll und vor allem auch zu bezahlen sein.
Von Orlando Engelaar erwartet Andreas Müller eine klare Leistungssteigerung (Foto: firo).
Nach dem fetten Champions-League-Jahr hat Schalke in diesem Jahr international kaum Einnahmen zu verzeichnen. Die weltweite Wirtschaftskrise kommt erschwerend hinzu und wird auch die Bundesliga noch erfassen. Muss der Verein künftig kleinere Brötchen backen, den Etat reduzieren und auf teure Einkäufe verzichten?
In diese Richtung wird es gehen. Ich sehe die Entwicklung auf dem Transfermarkt in den nächsten Jahren sehr kritisch. Es wird immer weniger Vereine geben, die zweistellige Millionensummen für neue Spieler ausgeben können, denn die Finanzkrise wird sich natürlich auch auf den Fußball voll auswirken. Wir setzen auf zwei Säulen, das haben wir ja auch schon in den vergangenen Jahren so gemacht. Die erste ist die Nachwuchsarbeit. Deswegen waren in Andreas Wiegel, Marvin Pachan und Predrag Stevanovic auch drei Jungs mit im Trainingslager, um in den Profibereich reinzuschnuppern. Die andere Säule ist, schon fertige Spieler zu holen, die aber noch in einem Alter sind, um mindestens vier, fünf Jahre auf Top-Niveau spielen zu können. Diese Ausrichtung werden wir weiter verfolgen.
Jefferson Farfan und Orlando Engelaar wurden im Sommer für viel Geld und mit hohen Erwartungen geholt. Warum haben Sie diese noch nicht erfüllen können?
Schalke lebt wie kaum ein anderer Klub in der Bundesliga von Emotionen. Da wird von den Neuzugängen erwartet, dass sie sofort einschlagen. Wichtig ist, dass wir die Qualitäten der Spieler erkennen. Bei Jeff sehe ich das sehr positiv, er hat sich innerhalb der Mannschaft sehr gut eingefügt und ist total akzeptiert. Natürlich musste auch er sich von der holländischen auf die deutsche Liga umstellen. Das braucht eine gewisse Anlaufphase, die haben wir ihm gegeben. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis er richtig durchstartet. Mit seiner Entwicklung bin ich sehr zufrieden, doch er hat sicherlich noch Luft nach oben.
Das gilt für Engelaar in ganz besonderem Maße. Ist er ein Fehleinkauf, so wie es die meisten Fans sehen?
Nein, absolut nicht! Orlando hat die Europameisterschaft absolviert und dann nur schwer in den Rhythmus der Bundesliga gefunden. Die Verletzung zu Beginn der Saison gegen Atletico Madrid war ein zusätzliches Handicap. Wir wissen, was in ihm steckt. Wir haben ihn als zentrale Anspielstation geholt, dazu ist er ein guter Passspieler. Das erste halbe Jahr ist für neue Spieler sehr schwierig, doch in der Rückrunde wird auch er kommen, da bin ich mir sicher.
Ivan Rakitic ist schon ein Jahr länger auf Schalke. Nach einer ordentlichen ersten Saison ist seine Entwicklung nun rückläufig, dennoch scheint er sich mit einem Platz auf der Bank gar nicht anfreunden zu können. Haben Sie sich in ihm ein wenig getäuscht?
Bei Ivan wird oft vergessen, dass er gerade mal 20 Jahre jung und noch ein Talent ist. Er ist schließlich noch jünger als Benny Höwedes. Er kam aufgrund der Spielpraxis, die er in der Schweiz in der ersten Liga bekommen hat, schon auf einem sehr hohen Niveau zu uns, seine Entwicklung als Fußballer kann aber noch lange nicht abgeschlossen sein. Wir haben Geduld und Vertrauen. Was ich von ihm erwarte, ist, dass er weiterhin an seinem Tempo und Defensivverhalten arbeitet und die Zweikämpfe annimmt. Aber ich finde es schade, wenn bei Spielern, die mal eine gewisse Zeit auf der Bank sitzen, schnell Spekulationen um einen Vereinswechsel aufkommen. Schalke ist nun einmal ein sehr emotionaler Klub, doch manche Prozesse brauchen eben ihre Zeit.