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Kevin Großkreutz
Der junge Botschafter aus Eving

BVB: Kevin Großkreutz im Interview
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Keine Minute hatte Kevin Großkreutz in der ersten Bundesliga absolviert, da entlockte ihm ein Boulevardjournalist schon: „Ich hasse Schalker wie die Pest!“

Als Trainer sind Sie auch ein Vorbild. Wie passt es da zusammen, dass Sie vor Beginn der Saison damit Schlagzeilen machten, dass Sie den Revierrivalen aus Gelsenkirchen wie die Pest hassen?

Da haben sie Recht. Aber ganz Eving ist Schwarz-Gelb. Deshalb ist es doch klar, dass ich die Blauen nicht sonderlich mag. Als ich die Aussage getätigt habe, dass ich Schalke wie die Pest hasse, habe ich in der Sprache des Ruhrgebietes gesprochen. Das war nicht aggressiv gemeint oder abwertend. Und ich bin mir auch sicher, dass die echten Fans auf beiden Seiten das verstanden haben, wie ich das gemeint habe. Ich würde nie nach Schalke wechseln. Aber mit der heutigen Erfahrung würde ich diese Aussage sicherlich in der Form so auch nicht mehr tätigen. Ich habe die Wirkung nicht richtig eingeschätzt und mich da sicher ein Stück weit auch aufs Glatteis führen lassen. Es ist für mich nach wie vor das Größte, gegen Schalke zu gewinnen. Aber ich würde das heute anders formulieren. Ich würde das Wort hassen nicht mehr benutzen.

Im November wollte Sie DFB-Coach Rainer Adrion für die U-21-Nationalmannschaft nominieren. Sie haben abgesagt. Der Torwart dort heißt Manuel Neuer!

Ich habe schweren Herzens abgesagt, weil ich mich voll auf den BVB konzentrieren wollte. Das stieß im ersten Moment bei Rainer Adrion auch auf etwas Unverständnis. Aber dann hat mein väterlicher Freund und Berater Konstantin Liolios mit ihm darüber geredet und wir haben es ihm erklärt. Natürlich ist es für mich, wie für jeden anderen Fußballer auch, eine absolute Auszeichnung den Adler auf der Brust zu tragen. Ich habe ja auch drei Spiele für die U19 absolviert. Aber als die Anfrage kam, hatte ich gerade meine ersten Spiele für die Borussia absolviert und wollte nicht sofort wieder beim Training fehlen. Mit Manuel Neuer hatte das wirklich nichts zu tun.

Wie hätten Sie denn einem Wiedersehen entgegen gesehen?

Ganz entspannt. Immerhin wird er mich jetzt ja kennen. Aber Sie spielen sicher auf die Szene nach dem Derby an. Im Nachhinein muss ich zugeben, dass das sehr unglücklich gelaufen ist. Ich habe nicht gelogen. Aber ich war einfach total sauer, dass wir das Spiel verloren haben. Es war ja mein erstes Derby als Spieler auf dem Platz. Und da sehe ich dann nach unserer Niederlage den Manuel vor unserer Kurve jubeln. Wenn ich ehrlich bin, kann ich ihn sogar ein Stück weit verstehen. Ich hätte es wahrscheinlich genauso gemacht. Wir setzen uns sicher beide intensiver für unsere Vereine ein, weil wir früher selbst in den Kurven gestanden haben. Wir sollten das Thema einfach vergessen.

Gab es denn nach dem Vorfall einen Kontakt zwischen Ihnen und dem Schalker Keeper?

Nein, den gab es nicht. Aber vielleicht können wir uns vor dem Rückspiel im Februar mal bei Ihnen in der Redaktion treffen. Das wäre doch eine gute Sache. Ich hielte das für ein wichtiges Signal den Leuten zu vermitteln, dass wir uns als Menschen und Berufskollegen gegenseitig respektieren. Deswegen muss man seine Einstellungen und Werte ja nicht aufgeben. Das werde ich auch nie tun. Aber für das gesamte Umfeld wäre das mal das richtige Zeichen.

Ihr sportlicher Aufstieg in den letzten Wochen war rasant. Hätten Sie mit einer derartigen Entwicklung gerechnet?

Kevin Großkreutz bei seinem Heimatverein Phönix Eving (RS-Foto: Bunse).

In der Form hätte ich das nicht erwartet. Bereits mit dem Wechsel zum BVB ist ein Traum für mich in Erfüllung gegangen. Ich wollte nie etwas anderes werden als Fußballspieler. Mit einem anderen Beruf habe ich mich ernsthaft gar nicht beschäftigt. Ich hatte zwar schon auf ein paar Einsätze gehofft. Aber ich bin eher davon ausgegangen, dass ich ein Jahr brauche, um mich zu integrieren. Dass ich in der gerade abgelaufenen Hinserie schon 15 Mal zum Einsatz kommen würde und die letzten fünf Spiele sogar von Beginn an spielen durfte, hätte ich nicht für möglich gehalten. Das ist natürlich sensationell und darüber freue ich mich. Aber ich weiß auch, dass ich weiter hart an mir arbeiten muss, um die Anforderungen unseres Trainers dauerhaft zu erfüllen.


Welchen Anteil hat Jürgen Klopp am Höhenflug der Borussia?

Einen sehr großen. Er spricht genau unsere Sprache und ist dabei total authentisch. Als er mich bei unserem 3:1-Sieg in Wolfsburg in der letzten Minute ausgewechselt hat, sagte er zu mir, ich solle beim nächsten Mal einfach etwas mehr laufen, dann dürfe ich auch mal durchspielen. Und lachte sich dabei kaputt. Diese Art von Motivation passt genau ins Ruhrgebiet.

Sie sind innerhalb kürzester Zeit zu einem Botschafter für einen Stadtteil mit einem hohen Ausländeranteil und einer ebenso hohen Arbeitslosigkeit geworden, in dem zu viele Wege durch vorgegebene Lebensbedingungen bereits eingezeichnet scheinen!

Wenn Sie meinen, dass viele hier den gleichen Traum träumen wie ich, dann stimmt das. Wie oft haben wir uns früher als Kinder ausgemalt, wie es wäre, einmal im Westfalenstadion zu stehen und ein Tor zu erzielen. Das ist heute nicht anders. Für die Jugendlichen kann es ein Antrieb sein, zu sehen, was man mit Leidenschaft und Willen alles erreichen kann. Das will ich nutzen. In Kürze werde ich deshalb mit unserem Bezirksbürgermeister Helmut Adden einen Termin für einen Lesenachmittag in der Evinger Stadtbücherei vereinbaren. Bei mir ist es gut gegangen. Aber nicht jeder schafft es mit Fußball. Wir wollen den Kindern erklären, wie wichtig Bildung ist. Es soll ein Erfahrungsaustausch werden. Aber als Botschafter für Eving sehe ich mich eher nicht. Das maße ich mir nicht an.

Sie sprachen von nur diesem einen Kindheitstraum, der jetzt für Sie in Erfüllung gegangen ist. Wie war das bei Ihrem ersten Tor im Signal-Iduna Park?

Das war der bislang schönste Moment in meinem Leben. Ich hatte meine Emotionen gar nicht im Griff. Ich hatte vorher bestimmt 1000 Mal darüber nachgedacht, was ich dann machen würde. Aber in dem Moment vergisst du alles. Ich war nur froh, dass es vor der Nordtribüne passiert ist. Sonst hätte ich sicher den Zaun gestürmt und eine Verwarnung riskiert. Ich habe eigentlich erst ein paar Tage später richtig registriert, was da passiert ist. Ich war früher als Fan in Mailand, Glasgow und Rotterdam. Jetzt möchte ich dafür sorgen, dass wir alle mit unserem BVB wieder solche Spiele erleben dürfen. Die Jungs auf der Tribüne und ich auf dem Rasen. Und dann ist mir die Gelbe Karte im letzten Saisonspiel auch egal. Und wenn wir dann noch mit unserer D-Jugend von Phönix aufsteigen, wäre es ein perfektes Jahr 2010 für mich.

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