Wenige Wochen später holte den Straßenfußballer die unbedachte Aussage in Form eines Ellenbogenschlages wieder ein. Schalkes Torwart Manuel Neuer soll ihn begangen haben. Einen Beweis dafür gab es nie. Es folgte eine erstaunliche Entwicklung. Statt unter der Last der folgenden Häme zusammenzubrechen, reifte der 21-Jährige im letzten Drittel der Hinserie zum Aufsteiger im Team von Jürgen Klopp. In den letzten vier allesamt gewonnenen Spielen gehörte er zur Startelf der Schwarz-Gelben.
RevierSport begleitete den 21-Jährigen bei einem Streifzug durch seine Heimat im Dortmunder Norden. Und erlebte dabei einen ganz anderen Kevin Großkreutz, als diejenigen, die ihn zu kennen glaubten.
Kevin Großkreutz, was bedeutet Ihnen Heimat?
Heimat ist dort, wo die Menschen wohnen, die man liebt. Heimat kann aber auch eine Begegnung sein, wie die kürzlich mit meinem ehemaligen Geschichtslehrer von der Hauptschule Eving. Herr Hässler hat mich vor einigen Wochen zufällig getroffen und mich spontan in den Arm genommen. Heimat ist aber auch ein vertrauter Ort. Wie die Wiese, die ich mit meinen Kumpeln nach der Schule immer als Bolzplatz aufgesucht habe. Oder auch die Bude an der Ecke, die ich Ihnen gerade gezeigt habe und in der ich schon als Kind eingekauft habe. Ich bin sehr bodenständig. Was mir Heimat bedeutet, kann man bald auch auf meiner Homepage nachlesen, in der es zu 100 Prozent nur um Dortmund und meine Liebe zur Borussia gehen wird.
Gehört der Austausch mit Ihren langjährigen Weggefährten von der Südtribüne auch dazu? Per Internet lassen Sie die Anhänger über das Fanzine schwatzgelb.de unter der Rubrik „Kevins Kolumne... hier schreibt ein Dortmunder Jung“ regelmäßig an Ihrem Seelenleben teil haben!
Die Macher von schwatzgelb.de haben bei mir nachgefragt, ob ich mir das vorstellen könne und ich fand die Idee gut. Ich kenne viele Menschen, die das lesen, persönlich. Mich hat als Fan auch immer interessiert, was in der Mannschaft passiert. Auch ich kam immer schlecht an Informationen. Jetzt habe ich die Möglichkeit dazu und da ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, einige Dinge weiterzugeben. Es ist aber alles mit dem BVB abgestimmt.
Sie sind im Dortmunder Bezirk Eving aufgewachsen. Sie sind dort zur Schule gegangen und wohnen hier noch heute mit Ihren Eltern Pia und Martin und Ihrem Bruder Lanny. In einem Interview haben Sie mal gesagt, dass Sie Eving freiwillig nie verlassen würden. Dabei zählt der Bereich im Dortmunder Norden nicht gerade zu den feinsten Adressen der Westfalenmetropole. Was macht diesen Stadtteil für Sie dennoch so einzigartig?
Kevin Großkreutz an der Bude von Ramazan Sadlik Ilkban an der Bergstraße (RS-Foto: Bunse)
Das stimmt vielleicht. Aber hier sind meine Wurzeln. Ich suche mir gerade meine erste eigene Wohnung. Auch die wird wieder in Eving liegen. Es gibt sicherlich schönere Ecken, als den Dortmunder Norden. Aber ich will hier nicht weg. Ich brauche das nicht zwangsläufig, nur weil ich jetzt etwas mehr Geld verdiene. Ich bin ein ganz normaler Mensch. Wenn ich hier über die Straße gehe, kennt mich jeder. Und ich kenne jeden. Und wenn mich die Leute grüßen, dann, weil sie mich mögen. Nicht, weil ich jetzt ein Fußballprofi bin. Ich komme aus bescheidenen Verhältnissen. Mein Vater ist Disponent in einem Getränkehandel. Aber soll ich mich dafür schämen? Nein, ich bin stolz auf meine Herkunft. Und wenn ich hier mal weggehen würde, dann nur, weil ich bei einem anderen Verein spielen und deshalb umziehen müsste. Freiwillig würde ich Dortmund ohnehin nie verlassen.
Kaum jemand weiß, dass Sie sich seit Jahren ehrenamtlich beim örtlichen Bezirksligisten SG Phönix Eving engagieren!
Mein Vater ist ein Phönixer. Von daher war ich dort oft bei den Spielen. Der Platz an der Grävingholzstraße wurde fast mein zweites Zuhause. Auch, wenn ich dort nie selbst gespielt habe. Vor fünf Jahren wurde ich angesprochen, ob ich mir eine Aufgabe als Trainer in der Jugendabteilung vorstellen könne. Seitdem mache ich das. Derzeit trainiere ich zweimal in der Woche die D-Jugend. Das macht Riesenspaß.
Mag sein, aber wir kennen keinen anderen aktiven Fußballprofi, der sich nach Feierabend noch zweimal wöchentlich auf die Asche stellt. Wie bekommen Sie beide Aufgaben unter einen Hut?
Wenn ich ehrlich bin, verstehe ich gar nicht, warum das nicht noch mehr Spieler machen. Das würde dem Fußball bestimmt gut tun. Wir trainieren derzeit montags und donnerstags. Montags haben wir beim BVB oft frei und donnerstags fängt mein Partner mit dem Training an und ich stoße nach unserem Training dazu. Nur mit den Spielen am Samstagvormittag ist es etwas schwierig geworden. Ich versuche das so oft, wie es geht, hinzubekommen. Allerdings konnte ich in dieser Saison erst drei Partien meiner Jungs sehen. Aber es lag mir am Herzen, die Mannschaft nicht einfach im Stich zu lassen und aufzuhören. So bin ich auch nicht erzogen worden. Wenn ich eine Aufgabe anfange, dann bringe ich sie auch zu Ende. Das sind Kinder, zu denen ich eine Beziehung aufgebaut habe, und die an mir hängen.
Und die finden das bestimmt ganz toll, von einem Bundesligaspieler trainiert zu werden!
Die Kids sind natürlich total begeistert und fiebern immer mit mir mit. Nach unseren Spielen geht dann immer direkt das Handy. Dann gibt es Kritik oder Jubel. Und das ehrlich und ungeschminkt. Ob das für die Jungs selbst ein Vorteil ist, von mir trainiert zu werden, weiß ich aber nicht. Zwar bestätigt mir mein Co-Trainer immer, die Mannschaft sei motivierter, wenn ich dabei bin. Das trifft aber auch auf unsere Gegner zu. Aber derzeit sind wir als Zweiter auf einem Aufstiegsplatz. Da kann man doch zufrieden sein.
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