Einen Tag nach dem 1:1 (0:1) beim FSV Mainz 05 musste der eigenwillige Torhüter des VfB Stuttgart am Montag zum Rapport bei Manager Horst Heldt und Trainer Christian Gross antreten. Gegenüber seinen Teamkollegen hat Lehmann seinen Fehler bereits eingeräumt. "Er hat sich entschuldigt. Ich hoffe, Jens bleibt bei uns. Es ist aber schade, was er gegen Mainz gemacht hat", meinte Stürmer Ciprian Marica nach dem Auslaufen am Montag. Ungeachtet des angeblichen Friedensgipfels bei eisigen Temperaturen erscheint eine vorzeitige Trennung von Lehmann, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft, denkbar. Heldt wollte die Existenz dieses Denkmodells nicht bestätigen - explizit ausschließen aber auch nicht. "Ich glaube nicht, dass das sein letztes Spiel war. Jens wird jetzt eine Sperre bekommen, aber er hat Vertrag bis 30. Juni 2010", sagte Heldt, dem das egoistische Benehmen von Lehmann schon des öfteren bitter aufgestoßen war.
Ciprian Marica (Foto: firo).
Lehmann wird in den kommenden Tagen sicher ein rauer Wind um die Nase wehen. Der als Disziplinfanatiker bekannte Gross will weitere Ego-Tripps des 61-maligen Nationalspielers auf keinen Fall mehr dulden. "Mir geht der Mannschaftserfolg über alles. Es stehen jetzt Dinge an, die wir lösen müssen. Ich habe sehr genau gesehen, wie Jens sich vor der Fankurve des Gegners hochgeschaukelt hat", erklärte der Schweizer. Kritik an den Eskapaden Lehmanns kommt mittlerweile auch aus der eigenen Mannschaft. "So etwas darf dem Torwart nicht passieren", meinte Innenverteidiger Georg Niedermeier, nachdem Lehmann dem Mainzer Aristide Bance in der 87. Minute auf den Fuß getreten hatte und daraufhin des Feldes verwiesen wurde. Den fälligen Strafstoß verwandelte Eugen Polanski zum Endstand und machte den so greifbaren ersten Bundesligasieg der Schwaben seit elf Wochen zunichte. Kapitän Matthieu Delpierre sprach hernach zerknirscht von einem "unnötigen Gegentor."
Pawel Pogrebnjak (11.) hatte den VfB in Führung gebracht. Franz Beckenbauer indes nahm Lehmann, der zuletzt als Keeper des FC Arsenal im Champions-League-Finale 2006 gegen den FC Barcelona (1:2) Rot gesehen hatte, als einer der wenigen Beobachter in Schutz. "Eine Gelbe Karte wäre gerecht gewesen. Jens ist Bance auf den Fuß getreten, aber das ist keine Tätlichkeit", behauptete der "Kaiser" in Sky90. Lehmanns Fehltritt und der anschließende Fehlgriff gegenüber einem Fan, dem er die Brille von der Nase riss, waren die Krönung einer ganzen Reihe von Eskapaden in den vergangenen Wochen. Zuletzt hatte sich der 40-Jährige geweigert, eine Strafe in Höhe von angeblich 40.000 Euro zu zahlen, nachdem er im Zusammenhang mit der Entlassung von Trainer Markus Babbel den VfB-Vorstand kritisiert hatte. Der nicht gerade als selbstkritisch bekannte Keeper hatte erst jüngst seinen unermüdlichen Ehrgeiz unterstrichen. "Entspannt auf dem Rasen? Ich will gewinnen. Ich bin im Ruhrgebiet aufgewachsen: Da musst du kämpfen. Mit Nettsein und Entspannung kommst du nicht weiter", hatte der gebürtige Essener betont.
Harald Strutz (Foto: firo).
Die Mainzer indes gingen hart mit dem Stuttgarter "Enfant terrible" ins Gericht. "Dem geht es gar nicht um Fußball, nur um sich selbst. Show gehört zum Fußball. Aber was Lehmann macht, ist völlig überzogen. Dieser Auftritt war peinlich und unanständig", sagte FSV-Präsident Harald Strutz. Lehmann hatte das Publikum und speziell Bance während des gesamten Spiels immer wieder provoziert. Lehmann hatte bereits vor seinem Ausraster in Mainz und der Diskussion über die Geldstrafe für Gesprächsstoff gesorgt. Unter anderem war er vor zweieinhalb Monaten von Babbel suspendiert worden, weil er ohne Absprache das Münchner Oktoberfest besucht hatte. Nach der Partie am Sonntag hatte Lehmann fluchtartig die Kabine verlassen und nach dem Zwischenfall mit einem VfB-Anhänger vor dem Stadion vergeblich nach einem Taxi gesucht. Nach einem Zwischenstopp im wartenden Mannschaftsbus ließ er sich schließlich mit einem Taxi an den Frankfurter Flughafen chauffieren und flog nach München. VfB-Mediendirektor Oliver Schraft sagte dem SID allerdings, dass der Verein darüber "Kenntnis" hatte und dies "nichts Ungewöhnliches" sei.