Es ist noch gar nicht so lange her, da riet Stuttgarts Trainer Markus Babbel seinem Torwart Jens Lehmann, "langsam mal entspannter zu werden". Doch Lehmann und entspannt - das passt irgendwie nicht zusammen. Der ehemalige Fußball-Nationaltorhüter wird heute 40 Jahre alt und ist streitbar und ehrgeizig wie eh und je in seiner wechselvollen Karriere. "Entspannt auf dem Rasen? Ich will gewinnen. Ich bin im Ruhrgebiet aufgewachsen: Da musst du kämpfen. Mit Nettsein und Entspannung kommst du nicht weiter. Ich wüsste gar nicht, wie ich auf dem Platz anders sein sollte", sagte Lehmann, der seinen Geburtstag im Kreis seiner Familie am Starnberger See feiern wird. Zeit dazu hat er: Der VfB hat trainingsfrei.
Diplomatie ist eben nicht die Sache des gebürtigen Esseners, der sich mit Balljungen, Gegenspielern, Trainern oder auch Vereinsbossen gleichermaßen anlegt und mit seiner oft unnahbaren Art für Diskussionen sorgt. Als er noch jung gewesen war, "wurde ich gepusht, und da habe ich die Nähe zu den Fans verloren", sagt er dazu.
Kind des Reviers: Jens Lehmann, hier bei der Einweihung eines Spielfeldes beim Heisinger SV. (RS-Foto: Redemann)
Dass er dennoch im deutschen Fußball Ansehen genießt, liegt daran, dass er als Torwart seit Jahren meist über jeden Zweifel erhaben ist. Dies unterstrich der 61-malige Nationalspieler erst am vergangenen Samstag wieder, als er für seinen VfB das 0:0 in Gladbach festhielt. Lehmann selbst sieht sich immer noch auf äußerst hohem Niveau. "Ich habe mich nicht verschlechtert. Vor 16 Monaten habe ich noch im EM-Finale gestanden. Ich spiele mit dem VfB in der Champions League. Ich habe keinen Grund, an mir zu zweifeln", betonte er unlängst.
Selbst das Thema Nationalmannschaft hat er angesichts seiner Einschätzung, immer noch der beste deutsche Keeper zu sein, nicht ganz abgeschrieben: "Ob ich noch mal dazu komme, weiß ich nicht, aber die Torwart-Situation ist immer noch instabil." Eine Rückkehr des früheren Dortmunders und Schalkers für die WM 2010 in Südafrika schloss Bundestrainer Joachim Löw aber bereits aus.
Zumal Lehmann für den kommenden Sommer sein Karriereende geplant hat. Doch Lehmann wäre nicht Lehmann, wenn er sich nicht auch hier ein Hintertürchen offen lassen würde. "Zu 95 Prozent steht für mich fest, dass ich Schluss mache. So ganz genau weiß ich es aber nicht. Vielleicht kommt noch was dazwischen. Zum jetzigen Zeitpunkt könnte ich locker weiterspielen", sagte er vor wenigen Wochen.
Eine Meinung, die auch VfB-Coach Babbel teilt. Man würde sich wünschen, "dass Jens weiterspielt. Wenn er es sich noch einmal überlegt, weiß er ja, wo wir zu finden sind." Große Sorgen macht Lehmann derzeit die angespannte sportliche Situation beim VfB: "Ich hoffe nicht, dass ich zum ersten Mal in meiner Karriere absteige. Deshalb bin ich jetzt auch nicht gelassen. " Seine Karriere begann am 1. Oktober 1988 bei Schalke 04 in der 2. Liga. In 21 Jahren als Profi bestritt er seitdem 375 Bundesligaspiele für Schalke, Dortmund und den VfB sowie 147 Partien in der Premier League für den FC Arsenal. In der Nationalmannschaft stand er lange Zeit im Schatten seines Erzrivalen Oliver Kahn. Erst kurz vor der WM 2006 im eigenen Land wurde Lehmann vom damaligen Bundestrainer Jürgen Klinsmann zur Nummer eins befördert. Unvergessen war dabei vor allem sein Auftritt im Elfmeterschießen gegen Argentinien mit der legendären Zettel-Nummer. Nach der 0:1-Finalniederlage im EM-Finale 2008 gegen Spanien beendete Lehmann dann seine Karriere in der DFB-Auswahl.