Doch Schalke wäre nicht Schalke und Dortmund nicht Dortmund, wenn die Nummer damit zu den Akten gelegt werden könnte. Seit gestern Abend sind die Fans beider Lager aufgewühlt, verbittert, enttäuscht, wütend oder bestenfalls noch halbwegs gleichgültig. Felix Magath hat Tatsachen mit hohem Konfliktpotenzial geschaffen.
Was genau wird Christoph Metzelder vorgeworfen? Erinnern wir uns. In Dortmund wurde er zum Helden, nachdem er mit zwei blitzsauberen Vorlagen maßgeblich zum Scheitern der Schalker Titelambitionen beigetragen hat. Anschließend bekennt sich Metzelder zum Rivalitätsdenken zwischen den beiden Vereinen und verkauft T-Shirts, auf denen die königsblauen Verlierer verspottet wurden. Er schreibt auf seiner Internet-Präsenz, dass er das Jahr in der Schalker B2-Jugend am liebsten aus seiner Vita streichen würde; alles ganz genau so, wie wir uns die Identifikation eines Profis mit seinem Verein und dessen Umfeld eigentlich wünschen. Metzelder, Asamoah, Großkreutz und Neuer – solche Typen wollen wir, solche Typen verkörpern unsere eigenen Emotionen auf dem Platz.
Das erste Spiel „seiner“ Schalker hat Thorsten Lueg 1972 in der alten Glückauf-Kampfbahn verfolgen können - und dann auch noch gleich das legendäre Pokalhalbfinale gegen den 1.FC Köln. Seit dieser Zeit hat er fast sämtliche Heimspiele des S04 vor Ort miterlebt. Ein Dauerkartenplatz in der VELTINS-Arena und der Besuch möglichst vieler Auswärtspiele runden die nackten Zahlen seines heutigen Fanlebens ab. Doch seine Vita weist Unstimmigkeiten auf. Im äußersten Nordwesten Dortmunds geboren, nur wenige Kilometer Luftlinie vom Borsigplatz entfernt zur Penne gegangen, das Geld fürs Studium als Taxifahrer auf den nächtlichen Straßen der Westfalenmetropole verdient, ist die verbotene Stadt für den heute in Essen lebenden Revierbürger stets die heimatliche Scholle geblieben - aber auch der beste Grund, mit ganzem Herzen königsblau zu denken und zu träumen. Einen größeren Beweis für seine Liebe zum FC Schalke 04 kann es nicht geben!
Ich verdamme Metzelder nicht wegen seines Handelns vor drei Jahren. Ich verdamme auch keinen Kevin Großkreutz für dessen Liebe zu Schwattgelb. Ich will diese Spieler nur deshalb niemals in Königsblau sehen, weil ich ihnen und mir jede Art von vorgetäuschten Sympathiebekundungen ersparen möchte. Ich gehe nicht auf den Fußballplatz, um objektiv zu sein. Ich bin Schalker, weil es mir eine tiefe Herzensangelegenheit ist. Und wenn schon die Sachzwänge des Profigeschäftes die alten Traditionen schrittweise verdrängen, dann will ich zumindest mir selbst in meinen Gefühlen treu bleiben können.
Ich kenne sämtliche Argumente, die mich widerlegen. Ich weiß, dass ökonomische Vernunft und erfolgsorientierte Entscheidungen das Gebot der Stunde sind. Doch wir sind hier im Ruhrpott und nicht in Sinsheim, wo es keiner großartigen Erklärungen und eines Appells an meinen gefühlsbereinigten Verstand bedurft hätte, um einen derartigen Transfer zu rechtfertigen. Für mich ist es noch nicht einmal ein schwacher Trost, dass man in Dortmund momentan den weitaus schwereren Rucksack zu tragen hat, weil sich dort gerade ein Denkmal gedankenlos mit einer vollkommen überflüssigen Vertragsunterschrift beim falschen Verein selbst vom Sockel stürzen musste.
Hoffen wir alle miteinander, dass sich Christoph Metzelder nicht irgendwann nach einem Schalker Sieg vor der Nordkurve auf das Vereinswappen schlägt! Soviel Respekt sollte er tunlichst aufbringen können – gegenüber seiner Vergangenheit und seiner Zukunft.