Doch das Diebels-Niederrheinpokalfinale 2012 sollte zu einem verrückten Spektakel werden - zu einem wahren Pokal-Krimi. Der Überraschungsfinalist aus Kalkar hatte schon in der Vorwoche gezeigt, dass in der Niederrheinliga durchaus sehr guter Fußball gespielt wird und sensationell Drittliga-Absteiger Rot-Weiß Oberhausen aus dem Verbandspokal rausgekickt. Rot-Weiss Essen war also gewarnt.
In der ersten Halbzeit blieben die haushoch favorisierten Hausherren jedoch den Beweis schuldig, dass sie Hö-Nie nicht unterschätzten. Zwar gehörten dem Regionalligisten in Person von Kerim Avci (7.) und Benedikt Koep (8.) die ersten guten Torchancen, doch danach gab der Underdog den Ton an. Nach einer überaus couragierten Phase ging die Truppe von Georg „Schorsch“ Mewes verdient in Führung. Vincent Wagner stieg im Strafraum ungeschick gegen Andre Trienenjost ein und Schiedsrichter Dirk Margenberg entschied zurecht auf Elfmeter. Den fälligen Strafstoß verwandelte Hö-Nies Torjäger Trienenjost, der in der Niederrheinliga bereits 23 Tore erzielt hat, zur 1:0-Gästeführung.
Nur 180 Sekunden später fast die identische Situation im Strafraum der Gäste. Der ehemalige ETB-Kapitän Heinrich Losing, der 2010 mit den Schwarz-Weißen an der Hafenstraße den Verbandspokal gewann, holte Avci ungestüm von den Beinen und erneut zeigte der Unparteiische auf den Punkt. Timo Brauer ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen und verwandelte zum 1:1-Ausgleich. Doch das Remis sollte nur von kurzer Dauer sein. Eine kollektiver Tiefschlaf der Essener sorgte nur eine Minute nach dem Ausgleich für die erneute Hö-Nie-Führung. Björn Bennies verlängerte einen Ball aus dem Halbfeld per Kopf auf Rafael Haddad und dieser ließ Dennis Lamczyk aus kürzester Distanz keine Abwehrchance.
Die Elf von Waldemar Wrobel wirkte nach dem erneuten Rückschlag völlig verunsichert und fing sich erst wieder kurz vor dem Seitenwechsel. Wieder war es der RWE-Kapitän, der sein Team mit einem Geniestreich von der ersten DFB-Pokal-Hauptrunde träumen ließ. Der 22-Jährige zirkelte einen Freistoß von der linken Straufraumgrenze auf das Hö-Nie-Tor und verblüffte Schlussmann Christopher Möllering, der mit einer Flanke gerechnet hatte - 2:2.
Wrobel musste in der Pause die richtigen Worte gefunden haben. Denn nach dem Seitenwechsel agierte RWE viel druckvoller und entschlossener. In der 61. Minute wurde der Essener Sturmlauf dann belohnt. Robert Guirino marschierte auf der linken Seite entlang, schlug eine butterweiche Flanke in den Strafraum, die Koep erst verpasste. Doch wieder einmal war der mitgelaufene Brauer zur Stelle und überwand Möllering aus zehn Metern. Die Hafenstraße stand Kopf.
Der Underdog gab sich trotz des Rückstands nicht geschlagen setzte zu einer Schlussoffensive an, die es wahrlich in sich hatte. In der 83. Minute musste Dennis Lamczyk sein ganzes Können unter Beweis stellen, als er einen Kopfball von Boldt mit einem sensationellen Reflex über die Latte lenkte. Noch enger wurde es für die Rot-Weissen ab der 86. Minute, nachdem Kevin Lehmann aufgrund einer Tätlichkeit berechtigterweise des Feldes verwiesen wurde. Hö-Nie packte die Brechstange aus und hatte in der dritten Minute der Nachspielzeit eine weitere Großchance. Losing köpfte die Kugel aus drei Metern völlig freistehend über den Kasten.
Letztlich blieb es bei einem hart erkämpften 3:2-Erfolg für den Regionalligisten, den die Essener Spieler nach Abpfiff zusammen mit den 10.000 Essener Fans ausgiebig auf dem feierten. Nun träumt RWE vom ganz großen Los. „In unserem neuen Stadion gegen den FC Schalke 04 wäre, glaube ich, für niemanden hier verkehrt“, verriet Lamczyk bereits nach dem Halbfinale in Krefeld das Wunschlos.
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