Der mäßige Start des Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 in die neue Saison hat zumindest einen kleinen Lichtblick zu bieten: Dario Rodriguez hat sich nach durchwachsener erster Spielzeit zu einer echten Stütze des Teams und einem Goalgetter aus dem Nichts entwickelt.
Im August 2002 als Ersatz für den seinerzeit schwer an einem Knorpelschaden im Knie verletzten Nico van Kerckhoven von Penarol Montevideo für etwa 3,5 Millionen Euro nach Gelsenkirchen transferiert, machte der Uruguayer zunächst vor allem mit sehr unglücklichen Szenen auf sich aufmerksam.
Völlig verunsichert und ohne Bindung zu seinen Mannschaftskollegen, bleibt bis heute sein anfängerhafter Einwurf gegen Arminia Bielefeld, als er das Leder über den Kopf direkt wieder ins Seitenaus rutschen ließ, im Gedächtnis der Kritiker haften. „Dario hat sich im letzten Jahr unter Wert verkauft, hatte kein Selbstvertrauen und keine Sicherheit. So hat er nicht die Anerkennung bekommen, die er verdient hatte. Mir war sofort klar, dass das ein interessanter Spieler ist“, hält Schalkes Trainer Jupp Heynckes eine Menge von dem Linksfuß.
Der fühlt sich nach schwieriger Eingewöhnungsphase inzwischen wohl in Deutschland und drückt das durch Leistung aus. Mit vier Treffern führt der 29-Jährige momentan die interne Schalker Torschützenliste an. „Im Jahr 2000 habe ich in Uruguay mal in Liga, Pokal und Nationalelf mehr als zehn Tore gemacht“, sagt Rodriguez, der hinter seiner plötzlichen Gefährlichkeit kein Geheimnis vermutet: „Ach so ist eben Fußball. Ich habe halt die Möglichkeiten bekommen und sie, Gott sei Dank, auch verwandelt.“ Die Vielseitigkeit, mit der WM-Teilnehmer von 2002 seine Möglichkeiten nutzte, überraschte dennoch. Obwohl er ein Tor mit rechts, zwei mit dem Kopf und eins mit links erzielte, streitet Rodriguez ab, ein kompletter Spieler zu sein. „Ich bin mehr ein Kämpfer, ein Arbeiter auf dem Platz. Ich mache auch für die Kollegen die Drecksarbeit und kenne meine Grenzen sehr gut. An meinen Schwächen arbeite ich jeden Tag im Training, da bin ich sehr selbstkritisch“, sagt der Nationalspieler. So hat ihn auch Jupp Heynckes kennen und schätzen gelernt. Der Schalker Fußballlehrer spricht Rodriguez „ein hohes Maß an Professionalität zu“. Heynckes: „Zuletzt hat er einiges dafür getan, dass jetzt anders auftritt und wahr genommen wird.“
Als gelernter Abwehrspieler agiert Rodriguez momentan im Schalker Mittelfeld, füllt diese Aufgabe mit erstaunlichem Offensivgeist aus. „In Uruguay habe ich immer links oder Innenverteidiger gespielt, im Mittelfeld nie. Jupp Heynckes hat mir aber gesagt, ich könne der Mannschaft im Moment im Mittelfeld am meisten helfen“, sagt Rodriguez
Mit ein Grund für den positiven Wandel des Matetee-Liebhabers ist die funktionierende Kommunikation zwischen Coach und Spieler. „Wie die anderen Südamerikaner profitiert er davon, dass ich spanisch spreche. Das war vorher ein großes Problem für die Spieler, weil sie sich nicht adäquat verständigen konnten. Ich weiß, wie sie denken, kann mich in sie hinein versetzen“, sagt Heynckes. „Bei den Besprechungen, erklärt er die Dinge, die wir Südamerikaner nicht genau verstanden haben, noch mal auf spanisch. Das hilft schon enorm“, bestätigt Rodriguez, der auch von Ex-Coach Frank Neubarth „respektiert wurde“. Aber: „Herr Heynckes vertraut mir mehr. Er hat mir auch die Möglichkeit gegeben, mehrere Spiele am Stück zu machen und das brauche ich wie jeder Profi, um Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit zu bekommen. Am Anfang war alles sehr neu für mich. Die Liga, die Sprache, die Lebensgewohnheiten. Aber jetzt fühle ich mich sehr wohl und hoffe mit Gottes Hilfe, Schalke weiterhin helfen zu können.“
Außerhalb des Fußballplatzes verbringt der Familienmensch „die meiste Zeit mit seiner Frau Monica, die im November zum ersten Mal Nachwuchs erwartet. „Ansonsten leben wir wie jeder andere auch. Wir gehen schon mal Essen, mal einkaufen. Ins Theater oder Kino eher wir selten, weil ich dafür noch zu wenig deutsch verstehe“, sagt Rodriguez, der auch „gerne am Grill“ steht: „Am liebsten mit Gustavo Varela, wenn der mich einlädt oder wenigstens bezahlt.“