Turnschuhe quietschen auf dem Linoleum-Fußboden. „Vor“, „Beide“, „Außen“ – schallt es durch die Halle. Vier Jungs und vier Mädels bewegen sich im Feld, belauern sich gegenseitig, lassen ihren Gegenspieler nicht aus dem Auge.
Mein Blick fällt auf das Objekt der Begierde: ein gelber, zylinderförmiger Korb mit einem Radius von 20 Zentimetern, befestigt an einem roten Metallrohr – in 3,50 Meter Höhe. Ich fühle mich um sechs Jahre zurückversetzt in den Schulsportunterricht: Mit dem Ball in beiden Händen stehe ich in aussichtsreicher Position vor dem Basketball-Korb, strecke meine Arme, werfe und verfehle.
Das Stöhnen der Teamkollegen ist nicht zu ignorieren. „Der Korb ist um einen halben Meter höher als beim Basketball“, bemerkt eine Stimme neben mir und holt mich damit zurück in die Gegenwart, „die Trefferquote liegt bei etwa 20 bis 25 Prozent“. In dem Moment trifft die Kleinste auf dem Feld den Korb und ich bin beruhigt. Weitaus wichtiger als die Körpergröße sind die Allround-Fähigkeiten und die Ballbeherrschung.
Ich befinde mich beim Training der ersten Mannschaft des Korfball-Vereins Adler Rauxel. Korfball wohlgemerkt, nicht Korbball. Das Wort „Korf“ kommt aus dem Niederländischen und bedeutet ins Deutsche übersetzt „Korb“. Damit ist auch gleich der Ursprung geklärt. Der Niederländer Nico Broekhuysen entwickelte im Jahr 1902 diese Sportart. Seine Landsmänner und –frauen, denn Korfball ist eine der wenigen gemischten Mannschaftssportarten, hegen noch heute ihren Nationalsport Nummer zwei. „In Deutschland gibt es etwa 2.000 Aktive, in unserem Nachbarland sind es 100.000“, verdeutlicht Stefan Strunk, Trainer bei Adler Rauxel und seit 24 Jahren dem Korfball verschrieben.
Den Reiz macht für ihn insbesondere das Miteinander aus, denn beim Korfball sind keine Einzelspieler gefragt. Es zählt allein die Teamarbeit, aber auch das Fair Play. Sperren, Rempeln und Festhalten des Gegners ist nicht gestattet.
Entsprechend der Unterteilung des Spielfeldes gibt es innerhalb der Mannschaft einen Angriff und eine Verteidigung. Jeder erhält einen zugeteilten Gegenspieler, deshalb sei es auch enorm wichtig vor den Begegnungen, Informationen über den Kontrahenten einzuholen. Gleichgeschlechtliche spielen gegeneinander und nach zwei erzielten Treffern rotieren Angriff und Verteidigung. Im Gegensatz zum Basketball darf sich der ballbesitzende Akteur nicht weiter bewegen, lediglich der Sternschritt ist erlaubt. Nur das geschickte Zusammenspiel innerhalb einer Mannschaft führt somit zum Korberfolg. Die Spielzeit beträgt zweimal 30 Minuten.
Strunk ist sichtlich unzufrieden und unterbricht mit einem Pfiff den Spielfluss. „Das waren gerade zu viele Fehlpässe. Ihr müsst näher an die Verteidigung gehen und wenn euer Gegenspieler zu nah am Korb ist, dürft ihr nicht werfen, der Ball ist sofort weg“, betont Strunk. Als Antwort erhält er nur erschöpftes Schnaufen. Die Stimmung innerhalb der jungen Truppe, der Älteste ist 25 Jahre alt, ist äußerst angespannt.
Es ist die letzte Übungseinheit vor dem entscheidenden Play-off-Spiel gegen Albatros Henrichenburg. Das Hinspiel verlor der Erste der Regionalliga Nord-West, der höchsten Spielklasse, mit 13:14.
„In diesem Jahr gibt es erstmals einen neuen Modus. Die Saison zählt fast gar nichts. Der Meister wird erst in den Play-offs ermittelt. Der Erste tritt gegen den Vierten und der Zweite gegen den Dritten an“, erläutert Strunk das Verfahren. Obwohl Adler Rauxel die gesamte Hallensaison dominierte und von zehn Partien acht gewann, besteht nach der Niederlage gegen Albatros die Gefahr, mit leeren Händen dazustehen.
Neben dem eigenen Titel steht aber auch die Ehre der Stadt Castrop-Rauxel, der deutschen Korfball-Hochburg, auf dem Spiel. In diesem Jahr könnte sich erstmals ein Team aus dem Rheinland die Meisterschaft sichern. Der TuS Schildgen hat sich bereits für das Finale qualifiziert. Diese mögliche Machtablösung registriert Strunk mit Besorgnis: „Wir entwickeln uns derzeit nicht weiter. Bei Adler Rauxel sind wir noch in allen Jugendabteilungen vertreten, aber dennoch ist eine Stagnation eingetroffen. Es werden auch keine Korfball-Vereine mehr gegründet.“
Neue Mitglieder werden vornehmlich durch „Mund-Propaganda“ gewonnen oder die Leidenschaft wird vererbt, wie bei Kathrin, die bereits in ihrem vierten Lebensjahr durch ihre Eltern zum Korfball kam. Wie ein Großteil ihrer Mannschaftskollegen hat sie mittlerweile die verschiedenen Auswahlteams des deutschen Nationalkaders durchlaufen. International lautet das Motto „the best of the rest“, denn die ersten Plätze haben die Niederlande und Belgien abonniert. Auch von einer Kulisse von 9.000 Zuschauern kann hier zu Lande nur geträumt werden.
In greifbarer Nähe ist dagegen wieder der Meisterschaftstitel. Das Team von Trainer Stefan Strunk gewann das Rückspiel gegen die Albatrosse mit 17:14 und steht nun im Finale gegen den TuS Schildgen.