Zumindest der letzte Akt harmonierte bei den Rot-Weissen. Als wären sie beim Stopptanz, mimten zehn verbliebene RWE-Akteure auf Abpfiff des Unparteiischen Rafael Foltyn zehn konsternierte Salzsäulen. Als sich die Schockstarre langsam löste, suchten vor allem die Wortführer die körperliche Nähe zu ihrem Torwart. Der hieß am Dienstagabend Phillip Kunz und war vermutlich alles andere als kuschelig gestimmt. "Der Junge wartet eineinhalb Jahre auf seine Chance und dann lassen wir ihn so im Stich...", sinnierte der als Innenverteidiger aufgebotene Markus Heppke.
Doch dass der 25-Jährige Schlussmann bei seinem langfristig angekündigten Regionalliga-Einsatz zumindest bei einem Treffer keine glückliche Figur machte, verkam zur Randnotiz. Bei der 1:4 (0:3)-Niederlage gab RWE im Kollektiv ein Bild ab, das zu denken geben muss. Als der harte und unbeirrt lautstarke Kern der Fans auf der Oststribüne der schlimmen Darbietung ihrer Mannschaft den Rücken zukehrte, waren die ursprünglich 6130 zahlenden Zuschauer schon längst nicht mehr vollzählig. Den dritten der insgesamt vier Treffer des 35-jährigen Gladbacher Angreifers Marcel Podszus (37.) quittierten nicht wenige Zuschauer mit der vorzeitigen Abreise.
Umso drastischer wird sich bei den Kurzzeitgästen der Eindruck einer heillos überforderten Essener Mannschaft verfestigt haben. Den neuen Tabellenführer der Regionalliga West und Aufsteiger Rot-Weiss Essen trennte am Dienstagabend mindestens eine Klasse. Regelrecht begeisternd, wie sich die Gäste mit schierer individueller Qualität und traumwandlerischer Ballsicherheit des Zentrums habhaft machten und die Pässe von dort mit höchster Präzision an die Sollbruchstellen der Essener Defensive verteilten, mit blitzgescheitem Umschaltspiel rasante Konter im Minutentakt auf den bemitleidenswerten Essener Keeper losschickten. Was die Borussen bei ihrem siebten Sieg in Serie zelebrierten, war hohe Regionalliga-Kunst.
"Wir müssen ganz ehrlich sein. Wenn Gladbach das richtig zu Ende spielt, kriegen wir hier richtig den Arsch voll", gestand Wrobel. Diese Klarheit hätte den Aktionen der Rot-Weissen gut zu Gesicht gestanden. Wie die Katze, die den Spaß daran verloren hatte, mit der leblosen Maus zu spielen, schalteten die Fohlen nach der Pause jedoch auf Stand-by. Den Anschlusstreffer durch Markus Heppke (60.) verstand Podszus mit seinem vierten Tor aber doch noch zu beantworten (69.). "Als ich den Platz und das Flutlicht gesehen habe, dachte ich, dass ich den größten Fehler gemacht habe, weil ich mich selbst nicht aufgestellt habe. Jetzt muss ich aber sagen, dass das kein Fehler war, denn die Jungs haben das schon sehr gut gemacht", kommentierte Gladbachs Trainer Sven Demandt lakonisch.
Trotz des an diesem Abend phasenweise zum Klassenunterschied eskalierten Leistungsunterschieds zwischen dem Tabellenersten und -16. sucht auf Seiten der Gastgeber die Frage eine Antwortet, warum der Aufsteiger sich immer wieder derartige Blackouts leistet. Wrobel: "Das hat etwas mit Einstellung, mit Überheblichkeit, teilweise auch mit Arroganz zu tun. Ich stelle mich jederzeit vor diese Mannschaft. Das sind alles gute Jungs. Aber es ist mir unerklärlich, wie ich auf der Position, auf der ich ausgebildet bin, derartige Fehler an den Tag legen kann. Das sind einfache, banale Dinge. Und das ist kein Einzelfall gewesen. Wir bereiten die Tore selber vor. Vielleicht ist das auch eine Frage der Qualität. Wenn ich mir Gladbach angucke, ist das eine andere Baustelle. Da wollen wir hin. Nun müssen wir schauen, ob wir das mit unseren Jungs hinbekommen oder eben nicht. In aller Deutlichkeit."
An Arbeit sollte es dem 42-Jährigen, der seinen Vertrag offiziell um zwei Jahre verlängerte, auch künftig also nicht mangeln. Bis zum nächsten Auftritt am kommenden Freitag beim VfL Bochum II muss fast alles besser werden.