Noch am Donnerstag stand die Partie auf der Kippe. Doch die Platzkommission bewies Geduld und konnte am Freitagmittag Grünes Licht geben. Dabei tappten Trainer und Team nach schwieriger Vorbereitung gemeinsam im Dunkeln auf der Suche nach sich selbst und der eigenen Form: "Bei uns war schon eine größere Anspannung als vor normalen Spielen da. Man könnte als Trainer eine fast schon zweistündige Ansprache halten", beichtete Trainer Uwe Erkenbrecher. "Aber wir haben uns auf das Nötigste beschränkt. Es war wichtig, dass die Mannschaft nicht überdreht."
Spannung war wohl das Mindeste, schließlich standen in Spiel eins nach Sascha Mölders mit Igor Bendovskyi, Alassane Ouedraogo und Daniel Chitsulo gleich drei neue Akteure in der Startelf, die zudem seit geraumer Zeit kein Pflichtspiel mehr bestritten hatten. Doch nicht nur die Neuen verdienten sich mitunter Szenenapplaus, als sie nach 90 Minuten und einem 2:0 gegen den SC Verl ihren Arbeitstag beendeten.
Dabei ließ sich der Start in die Restserie mindestens so holprig an wie der strapazierte Rasen des Georg-Melches-Stadions. Sogar mit vereinzelten Pfiffen bedacht, schlichen die RWE-Akteure nach den ersten 45 Minuten in die Kabine. Bis dahin hatten die Hausherren gerade mal eine halbwegs nennenswerte Torchance zustande gebracht: Sebastian Stachnik war vom Verler Schlussmann wohl elfmeterwürdig behindert worden. Jedoch wurde dem Stürmer wohl zum Verhängnis, dass er sich aufrappelte, statt den Körperkontakt aufzunehmen. Jedenfalls zeigte Schiedsrichter Dr. Jochen Drees nicht auf den Punkt.
Besser lief es bei den Gästen, die sich - von, durch und mit dem bulligen Stürmer Christian Knappmann - zahlreiche aussichtsreiche Möglichkeiten erspielten. RWE konnte von Glück reden, dass Knappmann (7., 9., 25.) oder Bernhard Venker (21.) es nicht verstanden, mehr Kapital aus ihren Gelegenheiten zu schlagen.
Der ein oder andere monierte beim Halbzeitpils schon alten Wein aus neuen Schläuchen. Die angepriesenen spielerischen Fortschritte konnten die Essener auf jeden Fall gut verstecken. Doch der Sparfußball der ersten Hälfte hatte - zumindest teilweise - Methode. "Wir wussten, dass wir Geduld haben müssen und noch etwas zulegen können", verriet Kapitän Denny Herzig. Gesagt, getan. Ganze sieben Minuten brauchten die Kulturhauptstädter nach Wiederanpfiff, um erstmals zuzuschlagen. Ouedraogo arbeitete auf der rechten Außenbahn einen von etlichen Freistößen heraus, Dennis Bührer trat an und Sebastian Stachnik hielt den Kopf hin - die Führung.
Fortan deuteten die Gastgeber an, wie man sich das "neue" Team vorzustellen hat: Kombinationssicher, spielfreudig und effizient. Charakteristisch hierfür die Kombination, die dem zweiten Treffer vorausging (68.). Mike Wunderlich auf Daniel Chitsulo, der auf Stachnik, der diesmal Herzig bediente - das war nicht nur der zweite Treffer, sondern sah obendrein noch richtig gut aus. Auch wenn die Essener fortan einen Gang zurückschalten konnten, weil der SC Verl sich in sein Schicksal fügte, sprach Erkenbrecher anschließend von "einer der besten Halbzeiten in der laufenden Saison."
Da liegt die Frage auf der Hand: Was, bitteschön, hat das Duo seinen Spielern in der Kabine gesagt? "Gar nicht viel", beteuert Erkenbrecher. "Es ist wie bei einem Boxkampf. So lange der Gegner noch so saugefährlich ist, kannst du die Deckung nicht lockern. Aber wenn in der siebten oder achten Runde die Kraft fehlt, traust du dir auch mal den ein oder anderen Schlag mehr zu."
So musste selbst der Gäste-Trainer Raimund Bertels kleinlaut einräumen: "Aufgrund der zweiten Hälfte war es ein verdienter Sieg." Da nun aus RWE-Sicht alles gut war, durfte einer natürlich nicht vergessen werden. Trainer Ralf Aussem: "Ein großer Dank an Willi (Maler, Platzwart des Vereins, d. Red.), dass er es möglich gemacht hat, dass wir spielen konnten."