Der Friedrich-Ludwig-Jahn-Platz in Gelsenkirchen-Heßler. Eine typische Bezirkssportanlage, wie sie vor allem in den 1970er Jahren in vielen Großstädten gebaut wurden, um der Generation der Babyboomer ausreichend Platz zum kicken im Verein bieten zu können. Ein Naturrasen, davor die für jetzige Verhältnisse viel zu große Tribüne, zwei Ascheplätze, der ans Freibad nebenan angrenzende Altbau mit den Umkleiden und davor das Vereinsheim: Hier hat sich kaum etwas verändert, seit einer der berühmtesten Kicker des heutigen Kreisligisten den SV Hessler 06 verlassen hat und zu einem Fußball-Idol wurde: Ilkay Gündogan.
Insgesamt zehn Jahre, von 1993 bis 1998 und nach einem Jahr auf Schalke noch einmal von 1999 bis 2004 kickte der heutige Stratege von Manchester City auf dem Jahnplatz. Einer seiner damalige Weggefährten, Mitspieler und immer noch besten Freunde ist Ferhat Cankaya. Rund ums Achtelfinale zwischen dem deutschen Vizemeister Schalke 04 und dem englischen Meister ManCity haben wir uns mit dem 28-Jährigen über Ilkay Gündogan unterhalten.
Wann haben Sie Ilkay Gündogan kennengelernt? Ferhat Cankaya: Das war mit acht Jahren, in der dritten Klasse unserer Grundschule am Fersenbruch in Heßler. Wir haben vorher in einem anderen Stadtteil in Gelsenkirchen gewohnt, in Bulmke, und sind dann in die Feldmark gezogen. Wir haben in der Pause auf dem Schulhof immer Fußball gespielt. Er war zu der Zeit auch schon im Verein bei Hessler 06, wo ich mich dann auch angemeldet habe.
Wie war er als kleiner Junge? Er ist einfach aufgefallen, weil er technisch so gut war und schon den Blick fürs ganze Spiel hatte. Bei kleinen Kindern ist es ja eher so, dass sie erst mal alle dem Ball hinterherlaufen und auf dem Platz nicht wirklich organisiert sind. Ilkay aber hatte das Talent, das hat jeder gesehen und er selbst auch gewusst. Er wollte unbedingt Fußball-Profi werden, was wir uns nicht vorstellen konnten. Natürlich hat jeder Junge die großen Stars wie Zidane oder Ronaldinho angehimmelt, aber keiner kam auf die Idee, dass er auch Profi werden könnte. Bei Ilkay war das anders.
Nennen Sie bitte Beispiele! Ich kann mich noch genau an ein Spiel gegen Eintracht Gelsenkirchen erinnern, da hat er einen weiten Abschlag von unserem Torwart – das waren bestimmt 40 bis 50 Meter – angenommen und mit einem direkten Pass auf einen unserer Stürmer weitergeleitet hat. Der hat dann das Tor gemacht, aber Ilkays Vorarbeit war unglaublich! Und beim Training hat er sich die Bälle an den 16er gelegt und unseren Keeper gefragt: ‘Wo willst du die Dinger hinhaben?’ Unser Torwart hat gesagt: ‘Ja, rede du mal!’ und dann hat Ilkay die Bälle auf den Zentimeter genau da versenkt, wo er vorher hingezeigt hat...
Er hat zunächst fünf Jahre bei Hessler 06 gespielt und ist dann auf Schalke nach nur einem Jahr durchgefallen. Wie konnte das denn passieren? Das weiß ich leider nicht genau, da wir uns zu der Zeit nicht kannten und nicht zusammen gespielt haben. An seinen spielerischen Fähigkeiten und seiner Schnelligkeit wird es mit Sicherheit nicht gelegen haben.
Dann war er noch einmal fünf Jahre in Heßler, ehe seine Karriere über die SSV Buer und den VfL Bochum langsam Fahrt aufnahm... Da wir nach der Grundschule auf verschiedene Schulen gegangen sind, er aufs Schalker Gymnasium und ich zunächst auf die Gertrud-Bäumer-Realschule, sind wir uns erst in der Oberstufe wieder über den Weg gelaufen, da die Gelsenkirchener Gymnasien miteinander kooperieren. Er hat zu der Zeit in Bochum gespielt, und ich erinnere mich noch an ein Spiel mit dem VfL gegen Schalke, als er gemeinsam mit Güngör Kaya die Schalker ganz schön frisch gemacht hat. Im Nachhinein denke ich, dass es für ihn die richtigen Schritte waren. Er hat sich Schritt für Schritt weiterentwickelt.
Mit 18 hat er seine Heimatstadt verlassen und ist nach Nürnberg gegangen, 500 Kilometer weg von Gelsenkirchen. Haben Sie trotzdem Kontakt behalten? Natürlich! Seit der Oberstufe waren wir wieder eng befreundet und sind mit Kumpels und seinem Cousin Ilkan öfters nach Nürnberg gefahren, um ihn und seinen älteren Bruder Ilker, der ebenfalls dort war, zu treffen.
Und dann ist er ausgerechnet nach Dortmund gegangen. Haben Sie als sein Freund und Gelsenkirchener nicht davon abhalten können? (lacht) Dortmund ist 2011 gerade Meister geworden, daher war es für seine Karriere wieder die richtige Entscheidung. Er war und ist ja unser Freund, deswegen konnten wir über die Vereinsfarben hinweg sehen und haben dann natürlich zu ihm gehalten. Zudem habe ich persönlich Sympathien zu Dortmund entwickelt. Das Champions-League-Finale 2013 gegen Bayern München in Wembley zu erleben und auf dem Platz spielt dein Kumpel: So etwas vergisst du dein ganzes Leben nicht mehr.
Heute ist er ein Fußballstar bei einem der besten Vereine der Welt. Ist Ilkay Gündogan trotzdem der gleiche Mensch geblieben, wie Sie ihn als Kind in der Grundschule in Heßler kennengelernt haben? Ja, er hat sich charakterlich nicht verändert, außer dass er natürlich reifer geworden ist. Er ist ein bodenständiger Typ, der nie abheben würde, nur weil er es im Fußball so weit gebracht hat und viel Geld verdient. Wir sehen uns regelmäßig, entweder fliege ich nach Manchester oder er schreibt mir und unseren Kumpels, wenn er hier ist. Letztes Jahr waren wir auch gemeinsam im Urlaub, erst in Dubai und dann auf Mykonos.
Bei seiner Rückkehr nach Gelsenkirchen am Mittwoch wird sich Ilkay Gündogan aber wohl nicht viele Freunde machen, oder? Das liegt ja nicht an ihm. Manchester City ist im Achtelfinale der Champions League natürlich gegen Schalke der große Favorit und auch wenn sich englische Teams gegen deutsche Gegner oft schwer tun: Alles andere als ein klares Weiterkommen von City wäre eine Riesenüberraschung.
Wie sieht es eigentlich mit Ihrer eigenen Fußballer-Laufbahn aus? Die ist beendet, zumindest im Verein. Nach meiner Zeit beim SV Hessler 06 habe ich noch für Preußen Sutum und den VfB Gelsenkirchen gespielt, aber mein letztes Pflichtspiel ist schon etwa sechs Jahre her. Seitdem kicke ich nur noch aus Spaß gelegentlich mit Freunden.
Autor: Heiko Buschmann