Seitdem bereitete er sich mit der U17-Nationalmannschaft in der Nähe von Offenbach auf die Europameisterschaft in Slowenien vor, ehe es am Dienstag mit dem Flieger nach Ljubljana ging. In Bochum ist Goretzka der Lehrling bei den Profis, beim DFB hingegen ist er derjenige, der als Kapitän die anderen mitreißen soll. „Ich weiß, was auf mich zukommt,“ sagt der Ausnahmespieler. Und er verdeutlicht, was er damit meint: „Ich muss die Mannschaft aufbauen, wenn es mal nicht so läuft.“
Das ist tatsächlich eine Herausforderung bei einem Team, das den Umgang mit Rückschlägen nicht gewohnt ist: Die Schützlinge von Trainer Stefan Böger haben 24 ihrer letzten 25 Spiele gewonnen. So scheint der Lagerkoller die größte Gefahr auf dem Weg ins Finale zu sein, das in drei Wochen stattfindet.
Doch mit dieser Erwartungshaltung tut man den Jungspunden keinen Gefallen. Schließlich sind schon die Vorrundengegner Georgien, Island und Frankreich wesentlich größere Kaliber, als es die Namen vermuten lassen. „Man darf nicht die jeweiligen A-Nationalmannschaften als Maßstab nehmen“, warnt Goretzka. Schließlich haben allein die Georgier während der Qualifikation Spanien und England rausgekegelt.
Auch deswegen ist das vorrangige Ziel das Überstehen der Gruppenphase, das bei acht Endrundenteilnehmern gleichbedeutend mit der Qualifikation fürs Halbfinale ist. „Für Deutschland ist es immer der Anspruch, um den Titel zu spielen“, sagt der zentrale Mittelfeldakteur. Seine Einschränkung: „Das gilt auch für andere.“
Für die Franzosen etwa, oder den Titelverteidiger Niederlande, der in der Parallelgruppe antritt. Doch auf dem Weg ins Finale hat die DFB-Auswahl einen großen Standortvorteil: Als einzige Mannschaft würde sie alle Spiele im Stadion SRC Stozice in Ljubljana austragen. Wie gut die 16.000 Zuschauer fassende Arena ausgelastet sein wird, das weiß Goretzka noch nicht. Vom DFB haben er und seine Mitspieler eine Broschüre mit dem Titel „Die Seele unseres Spiels“ erhalten. Das Büchlein ist als Leitfaden für das richtige Verhalten auf Reisen mit dem DFB zu verstehen. Doch was die Jugendlichen erwarten wird, wenn sie am Freitag (18.30 Uhr, live auf Eurosport) auf Georgien treffen, das steht nicht darin. Doch das kann Goretzkas Vorfreude nicht schmälern: „Eine Europameisterschaft spielt man nicht alle Tage.“
Und dementsprechend ist auch das Drumherum ein wenig so wie bei Podolski, Schweinsteiger und Co.: ein schickes Hotel, gemeinsame Mahlzeiten, ein bis zwei Einheiten am Tag, danach Besuch beim Physiotherapeuten. Nur eines ist dann doch anders: Im straffen Zeitplan ist der Unterricht in zwei Gruppen mit je einer Lehrkraft eingeplant, damit die Schüler trotz ihrer beachtlichen Zahl an Fehlstunden nicht den Anschluss verlieren.
Denn während Goretzka nur wegen der DFB-Statuten noch nicht zu seinem Zweitligadebüt kam, sind seine Nebenleute noch viel zu weit vom Profibereich entfernt, um ganz auf die Karte Fußball zu setzen. Doch der 17-Jährige, der als Faustpfand für die Zukunft des VfL Bochum gilt, gibt sich bescheiden: „Ich bin ein Spieler wie jeder andere auch.“ So ganz hat das Ausnahmetalent die Rolle des Lehrlings dann eben doch noch nicht abgestreift.
Die deutschen Spiele Freitag, 4. Mai, 18.30 Uhr: Deutschland – Georgien Montag, 7. Mai, 18.30 Uhr: Deutschland – Island Donnerstag, 10. Mai, 19.30 Uhr: Deutschland - Frankreich