Den deutschen Frauen gelang damit das Kunststück, ohne ein einziges Gegentor Weltmeister zu werden. Das gab es noch nie, auch nicht bei den Männern. Angerer brach zudem mit 540 Spielminuten ohne Gegentor den WM-Rekord des Italieners Walter Zenga aus dem Jahr 1990. 31.000 Zuschauer sahen im Hongkou-Stadion eine temporeiche Anfangsphase ohne langes Abtasten. Brasilien begann enorm aggressiv und ließ den Deutschen, die in der gleichen Startformation spielten wie beim 3:0-Halbfinalsieg gegen Norwegen, kaum Zeit zum Spielaufbau. Mit schnellem Direktspiel setzten die Südamerikanerinnen die deutsche Hintermannschaft ständig unter Druck.
Deutschland hingegen war in seinen Aktionen nach vorne nur selten zwingend genug. Kerstin Garefrekes setzte den Ball nach fünf Minuten ans Außennetz. Auch Sandra Smisek scheiterte, als sie nach einem Doppelpass mit Birgit Prinz den Ball aus 16m über das Tor schlenzte (14.).
Auf der anderen Seite schlug Brasiliens Kapitän Aline zwei Meter vor dem leeren Tor am Ball vorbei, als Nadine Angerer eine gefährliche Flanke nach vorne abprallen ließ (8.). Bei Fernschüssen von Marta (4.) und Formiga (23.) parierte Angerer souverän. Mitte der ersten Halbzeit hatte Brasilien seine beste Phase vor der Pause, als die deutsche Abwehr phasenweise kaum Luft zum Atmen bekam. Gegen Danielas Fernschuss rettete der Pfosten (24.), Sekunden später setzte sie einen Flugkopfball über das Tor. Martas Alleingang (25.) klärten Annike Krahn und Angerer gemeinsam in allerhöchster Not. Das deutsche Mittelfeld war während der ersten Halbzeit kaum präsent. Nur Renate Lingor und mit Abstrichen Kerstin Garefrekes hielten dagegen. Smisek und die dreimalige Weltfußballerin Birgit Prinz im Sturm wurden zu wenig bedient. Zudem ging der Plan von Silvia Neid, ständig Überzahl in der Verteidigung zu schaffen, zunächst nicht auf. Zu flink und technisch brillant bestürmte die brasilianische Offensive um die 20 Jahre alte Weltfußballerin Marta das deutsche Tor. Nur dank einer hochkonzentrierten Vorstellung der Viererkette um Abwehrchefin Ariane Hingst und einer gehörigen Portion Glück ging es torlos in die Pause.
Nach Wiederanpfiff bot Deutschland dem Gegner endlich die Stirn. Viel bissiger in den Zweikämpfen und entschlossener im Spiel nach vorn erarbeiteten sich die DFB-Frauen ein Gleichgewicht. Auch die zahlreichen deutschen Fans erwachten und wurden für ihren Optimismus belohnt. Sieben Minuten nach der Pause passte Kerstin Stegemann einen Tag ihrem 30. Geburtstag steil auf Smisek, die auf Prinz ablegte. Mit dem rechten Fuß schoss sie zur deutschen Führung ein.
Danach entwickelte sich ein hochdramatisches Spiel, in dem Angerer zur herausragenden Figur auf dem Platz wurde. Den berechtigten Strafstoß nach Foul von Linda Bresonik an Cristiane hielt Angerer gegen Marta in Weltklassemanier und sicherte sich damit Zengas WM-Rekord. Nur wenige Minuten später faustete sie einen Freistoß von Cristiane aus dem Winkel.
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