RS sprach mit der ehemaligen Duisburgerin über ihre Zeit im National-Trikot, die WM 2011 die Zukunft der Truppe von Silvia Neid.
Inka Grings, nach 16 Jahren haben Sie ihre Karriere in der Nationalmannschaft beendet. Wie kam es zu dem Entschluss? Nach der WM habe ich mit Silvia Neid ausgemacht, dass wir uns nach der EM-Qualifikation zusammen setzen werden und schauen, wie es weiter geht. Anfang Juni war es dann soweit und ich habe gemerkt, dass die Zeit für die jungen Spielerinnen gekommen ist.
Also war die Entscheidung schnell gefallen? Natürlich gehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich hätte zum Beispiel gerne noch einmal eine EM gespielt, das waren immer meine Turniere. Hinzu kommt, dass ich mein halbes Leben in der Nationalmannschaft gespielt habe und sie immer sehr wichtig für mich war. Aber ich freue mich auf einen neuen Lebensabschnitt.
Wie wird der aussehen, werden Sie langsam ihre Fußballschuhe an den Nagel hängen? Nein, das nicht. Ich fühle mich noch sehr wohl und habe meinen Vertrag beim FC Zürich ja auch gerade erst für ein Jahr verlängert. Wir haben große Ziele unter anderem in der Champions League. Aber ich mache auch gerade meine Trainer-B-Lizenz und kann hier in Zürich bestimmt mal irgendwo reinschnuppern. Außerdem steht ein Projekt in der Schweiz an, was sicherlich viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Und ich finde es vor allem ganz toll, dass ich keine Leistungstests mehr absolvieren muss.
Also eine eher nicht so schöne Erinnerung. Was ist Ihnen denn positiv in Erinnerung geblieben? Auf jeden Fall mein erstes Länderspiel gegen Finnland, als ich für 20 Minuten eingewechselt wurde und meine erste Aktion, ein Flugkopfball, direkt an den Pfosten geknallt ist. Und dann sind es natürlich die vielen Dinge drumherum. Ich konnte viele Länder der Welt bereisen, habe viele nette Menschen kennen gelernt. Sportlich war es natürlich das Nonplusultra für mich. Ich wollte immer zu den Besten gehören und das macht mich richtig stolz.
Zwischen 2005 und 2009 gab es aber auch eine weniger schöne Zeit für Sie. Damals wurden Sie in der Nationalmannschaft nicht berücksichtigt, obwohl Sie gute Leistungen im Verein gebracht haben. Ja, das stimmt. Viele denken immer, ich hätte mich mit Silvia Neid zerworfen. Aber nach der EM 2005 habe ich eine schwierige Phase durchgemacht und den Boden unter den Füßen verloren. Ein Schicksalsschlag hat mich vorrübergehend etwas meine Disziplin verlieren lassen. Ich brauchte etwas Zeit um mich wieder zu finden.
Und das hat man Ihnen krumm genommen? Das Problem war, dass die Bundestrainerin und ich nicht miteinander gesprochen haben. Zumindest von meiner Seite kam da nichts. Ich musste erst einmal wieder die Kurve kriegen, was mir ja dann nach drei Jahren auch gelungen ist. Nachdem meine damalige FCR-Trainerin, Martina Voss, sich dann eingeschaltet hat, haben wir uns an einen Tisch gesetzt. Dann habe ich eine zweite Chance bekommen und diese genutzt.
Haben Sie aus der Zeit gelernt? Durchaus. Ich weiß jetzt, dass Fußball nicht mehr alles ist. Bis zu meinem Schickssalschlag war ich da wahnsinnig drauf versteift. Doch Familie, Freunde und Gesundheit sind viel wichtiger. Ich brauchte etwas, um das zu lernen, aber jetzt bin ich ruhiger geworden. Nicht unbedingt auf dem Platz, da bin ich immer noch emotional, aber sonst denke ich lieber zweimal nach, ehe ich etwas sage.
Hat Ihnen diese Einstellung auch geholfen, das frühzeitige Ausscheiden bei der WM 2011 besser zu verkraften? Vielleicht schon, denn ich habe das Ganze relativ nüchtern gesehen. Sportlich war es eine Niederlage, doch die sollte einen stärker machen. Wir haben ja auch verdient verloren, das gehört dazu. Schließlich sind die anderen Mannschaften nicht stehen geblieben.
Doch der WM-Titel fehlt Ihnen noch in Ihrer Sammlung... Das stimmt, der WM-Gewinn hätte meine Karriere runder gemacht. Daran ist mein Sportlerherz auch durchaus zerbrochen und ich leide ein bisschen drunter. Dennoch bin ich glücklich, dass ich 2011 die WM miterleben konnte und Teil davon war.
Und wie sieht es mit dem 100 Länderspielen aus? Darüber habe ich eigentlich nie nachgedacht. Erst jetzt, wo mich alle danach fragen. Aber irgendwie passt es, dass ich vorher aufgehört habe. Das spiegelt ein bisschen die Kuriosität meiner Karriere wider. Mit 29 Jahren in der Nationalmannschaft sein Comeback zu feiern, das kann auch nicht jeder von sich behaupten.
Wo sehen Sie die Deutsche Mannschaft in Zukunft? Nicht zuletzt durch Ihren Abschied steht ein Umbruch an... Ja und deshalb wird es auch richtig spannend. So eine junge und unerfahrene Mannschaft muss wachsen. Das ist auch für Silvia Neid eine ganz neue Herausforderung. Doch sie hat viele gute Spielerinnen zur Verfügung. Ich bin gespannt, wie sie das packt. Bei der EM 2013 wird man sehen, wie weit das Team ist. Ich denke aber, dass es noch zwei, drei Jahre braucht, um wieder ganz oben mitzuspielen. Das wäre dann pünktlich zur nächsten WM.