Herr Ludorf, können Sie sich noch an den 14. September 1947 erinnern?
Nicht mehr an das genaue Datum, aber vermutlich war es der erste Spieltag der Oberliga West. Wir gewannen mit der SpVgg. Erkenschwick in Aachen mit 5:0 und waren der erste Tabellenführer der Oberliga West. Die Zeitungen bezeichneten uns danach als „Himmelsstürmer“ und so haben wiruns auch auf dem Weg zurück nach Erkenschwick gefühlt.
Haben Sie noch die Umstände des Spiels vor Augen?
Wir fuhren am Tag vorher mit der Straßenbahn nach Recklinghausen und von dort mit dem Zug nach Aachen. Wir übernachteten in einem Luftschutzbunker in der Nähe des Aachener Hauptbahnhofs und am nächsten Tag gingen wir zu Fuß durch die zerbombte Stadt zum Tivoli. Wir wussten überhaupt nicht, was uns erwarten würde. Aber wir hatten eine Bombentruppe. Kalli Matejka, Sigi Rachuba und ich im Sturm, wir verstanden uns blind.
Was hat die Mannschaft aus dem „Kaff“ Erkenschwick so stark gemacht?
Wir kamen alle vom selben Pütt, Zeche Ewald-Fortsetzung. Einer hat in der Schlosserei gearbeitet, einer beim Bau, ein anderer in der Verwaltung. Sieben Mann von uns waren in der Grube und kamen da noch schwarz raus. Wenn es zum Training ging, hat der Steiger schon einmal ein Auge zugedrückt. Dieser enge Zusammenhalt war unsere Stärke. Wir wollten ganz bewusst das, was uns im Bergbau verbindet, die Zuverlässigkeit, die Kameradschaft und dieses „jeder für jeden“ als Mannschaft auf den Rasen umsetzten. Nur so konnten wir praktisch ohne auswärtige Spieler in der Oberliga mitspielen und haben uns durch unsere Erfolge Respekt verschafft. „Wir begrüßen die Bergbau-Jünglinge von der SpVgg. Erkenschwick“, hieß es manchmal in Düsseldorf oder Köln, und wir bekamen schon vor dem Anpfiff anerkennenden Applaus von den Zuschauern. Auf dem Fußballplatz kriegten wir aber nichts mehr geschenkt (lacht).
FC Schalke 04 - SpVgg. Erkenschwick 4:0(1:0), 6. November 1949, 25.000 Zuschauer
Wie wichtig war für die Mannschaft die Verankerung im Bergarbeiter-Milieu?
Was für eine Frage! Für uns gab es gar nichts anderes. Sonntags saßen alle Kumpels im Stimberg-Stadion und am Montag ging es auf der Zeche nur um das Spiel: „Mensch, Jule, warum haste den nich’ reingemacht?“ Früher konnte man es sich gar nicht erlauben, schlecht zu spielen. Erstens saß die gesamte Verwandtschaft auf der Tribüne und zweitens kriegte man das die ganze Woche auf der Arbeit von den Kumpels zu hören. Unser Vereinsleben war einmalig. Woanders hieß es schon: „Vogel, friss oder stirb!“ Aber hier war alles anders. In Dortmund oder Schalke wurden die Spieler ausgepfiffen, wenn sie keine Leistung brachten. In Erkenschwick gab es das gar nicht. Man hörte höchstens mal während eines Spiels den Ruf „Aufhören“, aber ein Name wurde nie genannt. Die Zuschauer wussten genau: Der auf dem Platz, das ist einer von uns. Da zählte nicht nur die Leistung in einem Spiel, sondern das, was man über die Jahre hinweg für die Schwarzroten. geleistet hatte. Wenn ich zu einem großen Verein gewechselt wäre, hätte das dortige Publikum diesen Respekt nicht gehabt und davor hatte ich Angst. Von der Tribüne zu hören: „Jule raus!“ Oh, das tut weh und das wollte ich nie erleben.
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