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Die Oberliga West vor 60 Jahren
Jungens, Euch gehört der Himmel!

Die Oberliga West vor 60 Jahren
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Die Oberliga West startete vor 60 Jahren im September 1947 ihren Spielbetrieb. RevierSport widmet jener legendären Fußball-Zeit eine mehrteilige Serie, in der vor allem bisher unbekannte Fotos im Vordergrund stehen werden. Über ein Jahr hat sich der Historiker Ralf Piorr intensiv mit dem über 100.000 Bilder umfassenden Nachlass des Gelsenkirchener Sportfotografen Kurt Müller beschäftigt und außergewöhnliche Aufnahmen zu Tage gefördert. All die Geschichten & Legenden, die bisher erzählt wurden, finden nun ihre „bildhafte“ Umsetzung.

Am Sonntag, den 14. September 1947, war es endlich so weit: die neu gegründete Oberliga West startete ihren Spielbetrieb. „Auf die Plätze! Fertig! Los! Aber ohne knurrenden Magen, der leider heute noch zu laut zu hören und daher die kleine Ursache mancher großer Wirkung ist“, kommentierte die Bielefelder „Freie Presse“ den Oberliga Start, der im Süden Deutschlands bereits ein Jahr zuvor erfolgt war.

Als erster Erster trug sich die SpVgg. Erkenschwick durch einen 5:0-Sieg auf dem Aachener Tivoli in die Annalen der Liga ein. Ihr damaliger Torhüter Heinz Cichutek (1923 - 2000) erinnerte sich an den Auftritt seiner Elf in der alten Kaiserstadt: „Von Recklinghausen fuhren wir äußerst umständlich mit dem Zug nach Aachen. Keiner von uns war vorher jemals dort gewesen. Wir schliefen in einem warmen, dunklen ehemaligen Luftschutzbunker, direkt dem Bahnhof gegenüber. Am anderen Morgen sind wir quer durch die immer noch zerbombte Stadt zum Tivoli gegangen. Die Kirchgänger hörten uns reden und sagten, die sind die Reserve der Spielvereinigung Erkenschwick. Unsere Spieler waren ja alle körperlich so klein. Da dachten die, die Burschen können nicht die Erste sein.“

Bei der Rückfahrt ins Ruhrgebiet kam dann laut Cichutek zu jenem Dialog, der literarische Geschichte schreiben sollte: „In der Bahn war ein Polizist, der kam dann in unseren Waggon und fragte: ‚Ihr seid die Erkenschwicker? Ich habe euch in Aachen spielen sehen – Jungens, euch gehört der Himmel!"

Die „Himmelsstürmer“ des ersten Jahres kamen allerdings aus dem Essener Norden: die Sportfreunde Katernberg. „Katernberg – oder das Rennen des Außenseiters“ titelte im Dezember 1947 der „Herner-Sportkurier“. Als unbeschriebenes Blatt gestartet, verteidigte die Elf aus dem Essener Norden nahe der Zeche Zollverein monatelang die Tabellenführung in der neuen Oberliga West. Erst drei Spieltage vor Schluss musste man Borussia Dortmund vorbei ziehen lassen. Dabei erschuf sich Katernberg durch den sensationellen Erfolg der Vizemeisterschaft und dem daraufhin im nächsten Jahr folgenden Abstieg zugleich als „Mythos“. Triumph und Absturz schaffen Legenden, die die Zeiten überdauern. Gerade im Fußball.

Im Falle Katernbergs soll es die Umstellung vom Aschenplatz auf den Rasenplatz gewesen sein, der ab 1948 für alle Oberligisten zur Pflicht wurde. „Am Lindenbruch“ flogen dem gegnerischen Torwart der Fama nach so an manchen Tagen statt gefährlicher Schüsse die neu verlegten Rasenstücke um die Ohren. Was aber Katernberg zudem auszeichnete, war der geschlossene Lebenszusammenhang einer Arbeiterkolonie, wo Arbeiten, Wohnen und Freizeit eine Einheit bildeten – und das alles rund um den Fußballplatz „Am Lindenbruch“.

„Katernberg, Stoppenberg, Rotthausen, dat lief alles hier zusammen. Und wenn alles auch noch auf den Bäumen saß, waren 14.000 da“, erinnerte sich Katernbergs Spieler Helmut Penting an die Anfangszeiten der Oberliga. Eine Spezialität des Lindenbruchs waren auch die sogenannten „Lauschepperplätze“, zwei Bahnlinien, die das Stadion umrahmten. So nahmen es die Zugführer der Nahverkehrslinien Köln-Minden und Altenessen-Oberhausen bei Katernberger Heimspielen mit der Pünktlichkeit nicht so genau und ließen die Reisenden in den kostenlosen VIP-Plätzen der stehenden Waggons das laufende Spiel genießen, während auf der angrenzenden „Beisener Kurve“ der gesamte Nachbarort über die Zechenbahn marschierte und schwarz dem Spiel beiwohnte.

Die Oberliga erwies sich schnell als Zuschauermagnet: Zu Fuß, auf Fahrrädern, per Straßenbahn oder mit angemieteten Lastwagen besuchten über 1,1 Millionen Zuschauer die 156 Spiele, durchschnittlich rund 14.000 Zuschauer pro Spiel. Ein Boom, der erst mit der Zunahme anderer Freizeit- und Unterhaltungssektoren Mitte der 1950er Jahre einbrach.

Zuschauerrekord in der Glückauf-Kampfbahn: FC Schalke 04 – BV Borussia Dortmund 2:1 (1:1), 12.März 1950, (offiziell) 58.000 Zuschauer

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