Ein Kapitän muss vorweggehen, gerade, wenn es sportlich nicht läuft. Mit einer klaren Ansprache an die Mannschaft, Fans und auch die Medien. All das tut Dominik Schmidt in seiner Funktion als Spielführer des SC Preußen. Was der Innenverteidiger aber am vergangenen Samstagabend erlebte, brachte auch den gebürtigen Berliner ins Grübeln.
Frust sitzt tief
Nachdem die Adlerträger trotz insgesamt ordentlicher Leistung das Derby bei Spitzenreiter Arminia Bielefeld mit 1:2 verloren hatten, waren alle im Lager des SCP enttäuscht, natürlich auch die mehr als 2000 mitgereisten Fans aus Münster. Gleichwohl erntete die Mannschaft zu Recht auch Lob für ihre beherzte Vorstellung. Der Frust saß dennoch tief, denn spätestens mit dieser Niederlage ist klar, dass die Preußen auch in der kommenden Saison Drittligafußball spielen werden. Nach der Rückkehr des Teams nach Münster eskalierte die brisante Mischung aus Enttäuschung und Frust dann auf dem Münsteraner "Send", der beliebten Kirmes der Stadt mitten auf dem zentralen Schloßplatz.
Kapitän Dominik Schmidt, der aufgrund seiner zehnten Gelben Karte in Bielefeld gar nicht gespielt und die Partie gemeinsam mit weiteren Spielern im Auswärtsblock des SCP verfolgt hatte, schlenderte zusammen mit Mitspieler Aaron Berzel am Samstagabend über den Jahrmarkt. Als die beiden Akteure eine Gruppe von Münsteraner Ultras erblickten, versuchten sie sich mit diesen auszutauschen. So berichten die "Westfälischen Nachrichten". "Wir sind dann hin und wollten mal abseits vom Platz ins Gespräch kommen, sind dann aber sofort von einigen aus der Gruppe wüst beleidigt und beschimpft worden", schilderte Schmidt den weiteren Verlauf gegenüber den WN. Die Spieler seien daraufhin recht schnell dazu gedrängt worden, den Ort des Geschehens zu verlassen. "Ich weiß nicht, ob ich mir das noch antun muss. Ich halte immer den Kopf hin, spiele seit sieben Wochen mit Schmerzen am Syndesmoseband – und muss mich dann auf dem Platz und auch noch privat anpöbeln lassen", ergänzte der angefasste Innenverteidiger.
Münster vor der Zerreißprobe
Der 27-Jährige hat schon viel erlebt in seiner Karriere. Schmidt spielte schon Bundesliga für Werder Bremen und stand einst für Werder sogar in der Champions League gegen die Tottenham Hotspurs und Inter Mailand in der Startelf. Sportlich ist der Führungsspieler in Münster über (fast) jeden Zweifel erhaben. Eine solche Aktion der eigenen Fans gegen Spieler in privater Atmosphäre hält der Spielführer aber für einzigartig: "Als Kapitän stehe ich für die Mannschaft und vor der Mannschaft. Und wir sind immer noch 5. und nicht 18. Das, was hier in Münster passiert, gibt es woanders nicht. Nicht in Liga zwei und nicht in der Bundesliga." Schwer wiegen könnte der Vorfall vom Wochenende jetzt für den gesamten Verein, der nach dem erneut verpassten Aufstieg sowie dem eher unrühmlichen Ende der zehnjährigen Präsidentschaft von Dr. Marco de Angelis angeschlagen ist.
Führungsspieler Schmidt jedenfalls denkt offen über seinen Abschied von den Adlerträgern nach. "Ich überlege, ob ich mein Amt als Kapitän niederlege, ob ich in dieser Saison überhaupt noch auflaufe – und ob ich überhaupt noch für Münster spiele", erklärte der 27-Jährige. Insgesamt ist der Frust aufseiten der Fans verständlich - wenn er denn im Rahmen bleibt - und auch Schmidt hat genau wie die gesamte Mannschaft in den vergangenen Wochen auf dem Spielfeld Fehler gemacht. Einen Vorwurf hinsichtlich mangelnden Einsatzes kann man dem Kapitän aber wahrlich nicht machen. Auseinandersetzungen im Privatleben gehen schlichtweg zu weit. Schmidts möglicher Abgang könnte Folgewirkung für andere Leistungsträger der Münsteraner haben - nicht auszudenken, was das für die Preußen bedeuten würde.