Aus Zehntausenden Kehlen ertönte ein Wort. „Schiiiieß“ brüllten die Fans des FC Schalke 04 in der 86. Minute, als der Ball vor die Füße von Paul Seguin rollte. Aus 20 Metern Entfernung zog Seguin ab und erzielte mit einem Flachschuss das Tor zum 2:0 (1:0)-Endstand gegen den 1. FC Nürnberg.
Ein Happy End nach einer turbulenten Woche, die Krönung eines schönen Tages im Zeichen der Fanfreundschaft beider Klubs - und ein Sieg, der Schalke zum Gewinner des Spieltags macht. Die Konkurrenten Kaiserslautern, Osnabrück, Wehen Wiesbaden und Rostock hatten ihre Spiele zuvor verloren.
Gefreut hatten sich die Fans nicht nur auf die freundschaftliche Atmosphäre, sondern auch auf das Duell der Top-Talente. Das aber fiel aus: Während der Nürnberger Can Uzun (18 Tore in 27 Pflichtspielen) auf dem Platz stand und in der Offensive Regie führte, konnte der angeschlagene Schalker Assan Ouédraogo nicht spielen. Für ihn rückte Yusuf Kabadayi in die Startelf - und das war Schalkes einzige Änderung im Vergleich zum passablen 1:1 in Hannover vor einer Woche.
Kabadayi stand in den ersten sechs Minuten dreimal im Blickpunkt - in einer starken Anfangsphase der Schalker, die griffig wirkten, die meisten Zweikämpfe für sich entschieden, die Arena an einem stimmungsvollen Abend hinter sich brachten. Nach wenigen Sekunden scheiterte Kabadayi mit einem Schuss an FCN-Torwart Carl Klaus. In der fünften Minute schoss er nach einem Solo am linken Pfosten vorbei, weitere 60 Sekunden später stand er im Strafraum frei und wollte einen Querpass zu einem besser postierten Kollegen spielen - was nicht gelang.
Die Schalker zeigten das, was sie zuletzt in den meisten Spielen auszeichnete: Professionalität trotz aller Schwierigkeiten in dieser Saison, trotz der Dissonanzen im Team, die der Rauswurf von Mittelfeldspieler Dominick Drexler offenbarte. Bis zur 25. Minute erarbeiteten sich die Königsblauen drei weitere hochkarätige Chancen - und dreimal scheiterten sie am glänzend aufgelegten Gäste-Keeper Klaus. Thomas Ouwejan (16./23.) und Kenan Karaman (22.) hätten das erste Tor für S04 erzielen müssen - und das wäre verdient gewesen.
Ab der 25. Minute ließ das Spieltempo etwas nach, die Nürnberger hatten sich an die Stimmung und die Schalker Spielweise gewöhnt. Sie gestalteten die Partie nun offen. Eine richtig große Chance erarbeiteten sie nicht, allenfalls ein Schuss von Lukas Schleimer, den S04-Torwart Marius Müller zur Ecke lenkte (14.) und ein Solo von Jan Gyamerah übers halbe Feld, das aber zu keinem gefährlichen Abschluss führte (33.), sorgte für Gefahr.
Es schien auf ein torloses Unentschieden zur Pause hinauszulaufen, als die 42. Minute anbrach: Im Mittelfeld gewann der Schalker Marcin Kaminski resolut einen Zweikampf gegen Can Uzun. Der Ball flog zu Keke Topp, der einen flachen Pass auf Kenan Karaman spielte. Karamans Flachschuss landete im linken Eck, Klaus war machtlos. Schalke führte durch Karamans zehntes Saisontor verdient mit 1:0, die Nürnberger protestierten, wollten ein Foul von Kaminski erkannt haben. Doch der Video-Assistent schritt nicht ein. Es blieb zur Pause bei der Schalker Führung - und auf der Tribüne applaudierten auch etliche langjährige Schalker, die zu einem großen Ehemaligen-Treffen gekommen waren, von Benedikt Höwedes über die Kremers-Zwillinge bis zu Norbert Nigbur.
Nürnberg: Klaus - Gyamerah, Jeltsch, Horn, Brown - Flick - Goller (60. Okunuki), Castrop, Uzun, Schleimer - Andersson (68. Lohkemper).
Schiedsrichter: Marco Fritz (Korb)
Tore: 1:0 Karaman (42.), 2:0 Seguin (86.)
Bes. Vorkommnis: Karaman (Schalke) schießt Foulelfmeter an die Latte (56.)
Gelbe Karten: Seguin (8), Murkin (6), Topp (2), Churlinov (3) - Andersson, Uzun (4), Jeltsch (3), Flick (5)
Zuschauer: 62.278 (ausverkauft)
Nach der Pause sahen die Ehemaligen und die 62.278 Zuschauer einen zögerlichen Beginn der Schalker, die erst in der 55. Minute zum ersten Mal gefährlich die Mittellinie überschritten. Nach einem herrlichen Karaman-Steilpass drang der schnelle Kabadayi in den Strafraum ein und wurde vom Nürnberger Jannes Horn umgesenst - Elfmeter. Karaman trat an, traf aber die Latte - und von dort sprang der Ball ins Toraus. Die Schalker wirkten für wenige Minuten schockiert, und das hätte beinahe zum Ausgleich geführt. Uzun zirkelte den Ball ins linke Eck, doch S04-Torwart Müller tauchte ab und lenkte den Ball mit den Fingerspitzen zur Ecke. 58 Minuten waren da gespielt.
Schon vor einer Woche in Hannover war es den Schalkern nicht gelungen, das Spiel zu „killen“, wie Geraerts das genannt hatte, weshalb aus einer Führung noch ein 1:1 wurde. Das hatten die Schalker offenbar im Hinterkopf, denn je näher der Schlusspfiff rückte, desto mehr beschränkten sie sich auf Reaktionen, waren in der Offensive mit Ausnahme einer Kabadayi-Konterchance (80.) nicht mehr zu sehen. Die Nürnberger bekamen sogar noch die große Chance zum Ausgleich, ein Freistoß von Jannes Horn landete an der Latte (84.).
Das Spiel stand auf der Kippe, als Kabadayi noch einmal einen Sprint anzog, an Torwart Klaus scheiterte und Zehntausende Schalker „Schiiiiieß“ brüllten...