Eine Einschätzung, die der Realität standhält. „Leon ist ein Ausnahmespieler, wie ich ihn in der A-Jugend bislang noch nicht hatte“, sagt sein ehemaliger Trainer Dariusz Wosz. Dieses Urteil ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Zum einen hat sich Wosz seit seinem Karriereende von der kreativen „Zaubermaus“ zu einem Disziplinfanatiker entwickelt, dem jedes überhöhte Lob ein Gräuel ist. Zum anderen trainierte Wosz in Ilkay Gündogan bereits einen aktuellen A-Nationalspieler.
Goretzka mag noch nicht daran denken, wohin ihn seine Karriere einmal führen könnte. Sein vorrangiges Ziel ist es, zu bleiben - zumindest bis 2014, wenn die Abiturprüfungen anstehen. „So ist es geplant, wenn wir in der zweiten Liga bleiben“, bestätigt Goretzka. Sollte am Ende der laufenden Saison der Abstieg stehen, wäre er schon dann nicht mehr zu halten. Auch wenn Vereinsliebe keine Liga kennt, gibt es Grenzen, selbst für ihn, der auf einen klassischen Berater verzichtet und sich lediglich für Vertragsangelegenheiten einen Rechtsanwalt zur Seite gestellt hat.
Sobald die Zeit für einen Wechsel reif ist, wird er aber mit Sicherheit nicht den Verlockungen der internationalen Topklubs erliegen. „Es bringt einem nichts, wenn man bei einem Verein wie Bayern München oder Borussia Dortmund unter Vertrag steht und zwei Jahre nur auf der Bank sitzt. Und das Ausland ist noch mal ein größerer Schritt“, erklärt der Jungspund, dem man seine Jugend im Gespräch so gar nicht anmerkt.
Nur noch der Zeitpunkt des Wechsels ist offen
Mit seiner Einschätzung hebt er sich wohltuend von den Experten ab, die ihm ohne Einschränkung eine baldige Weltkarriere prophezeien. Manche sehen in ihm gar den neuen Michael Ballack und vergessen dabei, dass Ballack seinem Heimatverein, dem Chemnitzer FC, bis zu seinem 20. Lebensjahr treu blieb.
Tatsächlich stellt sich nur noch die Frage, wann genau Goretzka den VfL verlassen wird. Im Sommer verlängerte er seinen Vertag bis 2016. Nicht weil er glaubt, so lange in Bochum zu spielen, sondern, weil er seinem Verein zum Abschied etwas zurückgeben möchte. „Leon wird nicht ewig bei uns bleiben“, sagt VfL-Sportvorstand Jens Todt, „aber wenn er Bochum irgendwann verlassen sollte, wird das dem Klub finanziell gut tun.“
Bis dahin wird er sich bemühen, ein ganz normaler Junge zu sein. Er wird auch weiterhin an der Seite seiner Eltern ein Durchschnitts-Auto lenken, weil er als 17-Jähriger nur in Begleitung fahren darf. Er wird sich weiter darüber freuen, dass er in seinem ehemaligen Problemfach Mathe nun ein Dreierkandidat ist. Und er wird sich weiterhin pointiert über die Randerscheinungen des Profifußballs aufregen: „Die Niederlagen nerven. Und die langen Fahrten vielleicht. Wenn man es kombinieren möchte: Die langen Fahrten nach Niederlagen.“ Tief in seinem Herzen wird er aber spüren, dass er schon längst kein normaler Junge mehr ist. Noch viel weniger aber, und das muss man ihm hoch anrechnen, ist er ein gewöhnlicher Jungprofi.