Es gibt so Tage, an denen man besser nicht aufgestanden wäre: Nichts gelingt, alles läuft schief, als hätte sich die Welt gegen einen verschworen. Wenn bei einer Fußballmannschaft elf Mann am gleichen Tag mit dem falschen Fuß aus den Bett gestiegen sind, wird es mitunter bitter – genau wie beim Dortmunder Auftritt beim Hamburger SV.
Mit 4:1 (3:1) fertigten die „Rothosen“ ihre Gäste aus Westfalen ab und bescherten damit ihrem neuen Trainer Bruno Labbadia ein überaus gelungenes Heimdebüt. Besser als am Samstag hätte es für den früheren Leverkusener zum Einstand wirklich nicht laufen können. Seine Hamburger hatten – wie schon zuvor gegen Düsseldorf und Freiburg – mit dem Anpfiff der Partie die Kontrolle übernommen und stürzten im Sekundentakt auf das BVB-Tor von Roman Weidenfeller zu.
Offenbar überrascht von so viel Offensivgeist und Initiative reagierten die Borussen nur mit passivem Staunen, und eh sie sich versahen stand es auch schon 3:1 für die Gastgeber. Guy Demel (3.), Zé Roberto (10.) und Paolo Guerrero (12.) hatten die Lücken im BVB-Deckungsverbund gnadenlos ausgenutzt und sich auch nicht vom zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich von Nelson Valdez (4.) aus der Ruhe bringen lassen.
Labbadia reagierte mit einer sanften Miene und ließ sich zufrieden auf seinem Trainerstuhl nieder. Jürgen Klopp dagegen, der Dortmunder Chefcoach, tänzelte an der Linie entlang, als würde er von einem Schwarm Bienen verfolgt, und schimpfte nahezu unaufhörlich in Richtung seiner völlig konsternierten Mannschaft.
Weder Neven Subotic und Felipe Santana in der Zentrale und Patrick Owomoyela und Marcel Schmelzer auf den Außen noch das Mittelfeld-Quartett um wieder als „Sechser“ auflaufenden Tinga konnten dem Hamburger Offensivreigen etwas entgegensetzen. Zu ungeordnet und hilflos fielen die Reaktionen auf die unaufhörlich niederprasselnden Angriffe des HSV aus.
„Das war die Unterkante der Messlatte, die ich sonst anlege“, stöhnte Klopp anschließend mehr enttäuscht als wütend, und kündigte ein intensives Aufarbeitungsprogramm der traurigen 90 Minuten an: „Wir werden das Spiel analysieren und besprechen. Die Frage ist doch, warum der Gegner uns in einigen Situationen hat alt aussehen lassen. Alles, was wir brauchen, um Fußball zu spielen, ist eigentlich da. Wir haben es nur nicht gezeigt. Wir haben massenhaft Arbeit vor uns, und werden dieses Drecksgefühl nutzen, um die Konzentration zu schärfen.“
Geht man nach den Eindrücken, die man im Anschluss an die Partie in der Mixed Zone sammeln konnte, dürfte der frühere Mainzer bei seiner schonungslosen Analyse zumindest auf Verständnis stoßen. Denn keiner der Borussen, die sich am Samstag den Fragen der Presse stellten, versuchte, irgendetwas schön zu reden.
Im Gegenteil,. Neven Subotic etwa gab gewohnt offen zu: „Das war nicht unsere Norm, nicht unser Gesicht. Es ist ein richtiges Scheiß-Gefühl, in Hamburg so bitter verloren zu haben.“ Und auch Marcel Schmelzer bekannte freimütig: „Wir haben es nicht hinbekommen, uns frühzeitig zu organisieren. In der Anfangsphase stimmte die Zuordnung überhaupt nicht. Wir waren einfach noch nicht auf dem Platz.“
Gegen die „Frühstarter“ vom HSV stellte sich das als ein Fehler mit fataler Konsequenz heraus – und das auch noch mit Ankündigung. „Wir waren eigentlich darauf eingestellt, denn unser Trainerteam hat uns vorher darauf hingewiesen, dass die Hamburger in der Regel sehr gut anfangen und offensiv beginnen“, gab der zur Pause eingewechselte Mats Hummels zu: „Aber trotzdem haben wir den Hamburgern viel zu viel Platz gelassen und sind nicht aggressiv genug in die Zweikämpfe reingegangen. Das wurde zu recht bestraft.“
Nach der 0:2-Heimniederlage gegen Udine und der 1:4-Pleite in Hoffenheim aus der letzten Saison ist die 1:4-Packung in Hamburg der dritte große Rückschlag, den Klopp beim Aufbau des „neuen BVB“ verkraften muss. „So wie wir uns gegen den HSV aus dem Spiel haben drängen lassen, ist es uns zuvor nicht passiert“, hatte der 42-Jährige am Samstag einen Negativ-Höhepunkt ausgemacht, verzichtete aber darauf, sein Team in aller Öffentlichkeit zusammenzustauchen.
Intern indes dürfte der Ex-Mainzer klare Worte für den Auftritt gefunden haben, der „sich so in keiner Weise angekündigt“ hatte. Im Testspiel gegen Real Madrid am kommenden Mittwoch bietet sich für seine Profis die erste Möglichkeit, Wiedergutmachung zu betreiben. Von einem Freundschaftsspiel sollten Klopps Kicker deshalb besser nicht sprechen, wenn es für sie in den nächsten Tagen nicht noch ungemütlicher werden soll.