Martin Kind schafft eigene Fakten. So zerrissen Hannover 96 in den vergangenen zwei Jahren war, so unterschiedlich stellen sich die Verantwortlichen des Tabellen-Letzten dem wahrscheinlichen Abstieg aus der Fußball-Bundesliga. «Sie werden von mir jetzt nicht hören, dass es das war», sagte der vor dem Aus stehende Sportchef Horst Heldt nach der nächsten - und wieder einmal vermeidbaren - Niederlage Hannovers beim 1:3 (1:1) am Samstag im Nachbarschaftsduell beim VfL Wolfsburg. «Natürlich hoffen wir noch immer», sagte Trainer Thomas Doll und Kapitän Marvin Bakalorz meinte: «Ich glaube noch daran. Was bleibt uns auch anderes übrig?»
Die Antwort auf diese rhetorische Frage lieferte Geldgeber und Haupt-Gesellschafter Martin Kind später. «Es gibt ja Wunder, aber an Wunder glaube ich nur begrenzt», sagte der 96-Entscheider kühl und sachlich. «Fußball geht weiter, für uns leider in der zweiten Liga.» Während die sportliche Leitung, Spieler und Fans sich an jeden Strohhalm klammern, ist für Kind der Klassenverbleib angesichts von sieben Punkten Rückstand auf den Relegationsrang bei allerdings noch sechs ausstehenden Spielen abgehakt.
Der 74 Jahre alte Unternehmer kündigte für die kommenden Tage Analysen, Gespräche und Entscheidungen an: «Wir haben jetzt im wesentlichen Planungssicherheit. Jetzt kann man wirklich alle Fragen kritisch analysieren.» All das klang klar und ruhig - ein Mann der Emotionen war Kind noch nie. Auch auf die Befindlichkeiten seiner leitenden Angestellten nimmt Kind seit jeher wenig Rücksicht.
Seit Wochen bekommt die sportliche Leitung und insbesondere Heldt öffentlich ihr Fett weg. Das Aus für den Sportchef könnte in den nächsten Tagen folgen. Trainer Doll bekam in der vergangenen Woche im persönlichen Gespräch mit Kind eine Jobgarantie bis zum Saisonende. Heldt nicht. Ein Gespräch zwischen ihm und Kind gab es nicht - bislang. «Mit Herrn Heldt werde ich sprechen», sagte Kind auf die Frage, ob es auch für den Manager einer Jobgarantie gebe. «Ich weiß auch nicht, wie er selber denkt, wie er diese Saison analysiert. Wie er seine eigene Position jetzt und in Zukunft einordnet.»
Zu Kinds charakterlich positiven Eigenschaften gehört es, immer direkt und frei seine Meinung zu sagen. Für den Verein indes ist es nicht immer nur erfreulich, dass er dabei auf die sonst übliche ein oder andere Notlüge verzichtet. Dass Kind erheblich in die sportlichen Belange eingriff und Trainer Doll bei einer Personalie nicht mehr selbst entscheiden kann, wäre womöglich gar nicht öffentlich geworden, hätte Kind dies nicht selbst erzählt: Heldt wurde es als Sportchef schriftlich untersagt, den japanischen Nationalspieler Takuma Asano weiterhin einzusetzen. «Das habe ich selbst auch noch nie als Trainer erlebt», bestätigte Doll.
Hintergrund ist, dass der Leihvertrag mit dem FC Arsenal eine Klausel enthält, wonach Hannover bei einer bestimmten Anzahl von Einsätzen Asano für eine Ablöse zwischen drei und 3,5 Millionen Euro kaufen muss. «Das ist natürlich eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft», sagte Kind. «Der Trainer hat mit der gesamten Problematik überhaupt nichts zu tun.» Dennoch legte Doll Wert auf die Feststellung, dass seine Autorität nicht untergraben worden sei: «Das hat nichts damit zu tun, dass du als Trainer dein Gesicht verlierst. Der Verein Hannover 96 ist in dem Moment wichtiger als Thomas Doll.» Seine Irritation über deutete er indes auch an. «Der Spieler hat schon geschluckt. Das ist auch für mich als Trainer nicht einfach.»
Dies indes schien für Kind zweitrangig. «Das ist ein Problem des Vertragsmanagements und nicht des Trainers. Solche Verträge sind nicht unbedingt zu empfehlen», sagte Kind und watschte Heldt damit erneut ab. Was dem Sportchef droht, schien auch Doll zu ahnen: «Horst hat mich geholt. Ihm hätte ich auch gerne mehr Punkte geschenkt.» dpa