Horst Heldt ist sich ganz sicher, dass Thomas Doll Hannover 96 retten kann. Er sagt auch, warum er das glaubt: „Er kennt die Bundesliga in- und auswendig“, erklärt der Manager der Niedersachsen, die mit elf Punkten auf dem vorletzten Platz stehen. Zwei Trainer-Jobs beim Hamburger SV (Oktober 2004 bis Februar 2007) und Borussia Dortmund (März 2007 bis Mai 2008) qualifizieren ihn für die in ihrer Gesamtheit utopisch klingende Mission, die 96er vor dem scheinbar unvermeidlichen Gang in die 2. Bundesliga zu bewahren. Andere hingegen sagen, Doll dürfe keinen Job bekommen, bei dem er in der Öffentlichkeit steht.
Denn obschon sein letztes Engagement beinahe elf Jahre zurückliegt: Thomas Doll teilt mit den Akteuren in der Bundesliga die wechselseitige Erinnerung. Der Grund ist allerdings nicht etwa eine herausragende sportliche Bilanz. Zwar führte er den HSV 2006 in die Champions League und den BVB 2008 ins DFB-Pokalfinale – doch unvergessen ist bis heute eine bemerkenswerte Pressekonferenz, in der der damals 40 Jahre alte Dortmund-Trainer mit den Kritikern der Schwarz-Gelben abzurechnen versuchte. Zuletzt machte er erneut mit Verbal-Akrobatik auf sich aufmerksam: In der nach Moderator Jörg Wontorra benannten Sky-Talk-Sendung legte er sich mit dem Spiegel-Journalisten Rafael Buschmann an. Machohaft. Dafür gibt es immer noch Kritik.
„Mit seinem Auftritt bei Wontorra und seinem Macho-Gehabe in der Diskussion um Lisa Müller hat Thomas Doll sich eigentlich für jeden Job in der Öffentlichkeit disqualifiziert“, twitterte Günter Klein, Chefreporter beim Münchner Merkur.
Zur Erinnerung: In der Sendung hatte Doll die Ehefrau von Nationalspieler Thomas Müller nach deren kritischem Instagram-Post gegen Bayern-Trainer Niko Kovac kritisiert. Auf die Frage, was er in Müllers Situation getan hätte, entgegnete Doll: „Ich denke, er wird ihr zu Hause schon gesagt haben: ‚Halt dich zurück!‘“ Daraufhin versuchte Buschmann, den Fußball-Lehrer zu unterbrechen. Doll: „Entschuldigung, wenn der Chef spricht, kurz ruhig sein.“
Zwar betonte er kurz darauf, dass er lediglich einen Spaß habe machen wollen, doch Buschmann ging es nicht um die Ich-Erhöhung des 18-maligen deutschen Nationalspielers. Der Konter des Journalisten: „Wenn der Chef sexistischen Kackscheiß sagt, dann habe ich die Möglichkeit, irgendwas darauf zu erwidern.“ Niemand habe das Recht, Lisa Müller die Möglichkeit abzusprechen, eine eigene Meinung zu haben. Während Doll das dennoch tat und das mit „mehr Respekt dem Trainer-Job gegenüber“ begründete, beharrte Buschmann auf dem Grundrecht der Meinungsfreiheit. Als es kurz darauf zwischen den beiden persönlich wurde und Buschmann in Richtung Doll sagte, dass er Bedenken habe, wenn der Trainer seine Mannschaften so führe, wie er sich in der Sendung gab, ging Moderator Wontorra dazwischen.
„Lass uns auf einer sachlichen Ebene bleiben.“ Buschmann: „Dann soll er mich auch ausreden lassen.“ Doll: „Meine Fresse.“ Doll hatte den Reporter zuvor mehrfach unterbrochen.
Auftritte wie dieser nehmen in der Diskussion über den 52-Jährigen mehr Raum ein als seine sportlichen Erfolge. Dass er mit Ferencvaros 2016 ungarischer Meister wurde und dreimal den ungarischen Pokal holte, bleibt dabei oft außen vor. Ungarns Trainer des Jahres 2016 ist in Deutschland vielmehr für seine verbalen Ausrutscher bekannt.
Vor allem seine denkwürdige Pressekonferenz, mit der er sich 2008 gewissermaßen von Borussia Dortmund verabschiedete. Als „Blabla“ bezeichnete er das Gerede und Geschreibe über seine in weiten Teilen der Saison grauenhaft kickende Mannschaft. Und mit Bezug auf die Visionen einiger Journalisten und Fußball-Kenner, wie es künftig mit dem BVB weitergehen sollte, polterte er: „Da lach ich mir doch den Arsch ab.“
Nach 14 Monaten trennten sich die Wege von Doll und den Dortmundern. BVB-Experte Thomas Hennecke schrieb damals im Kicker: „Mit Dolls Demission starb eine Idee. Die Idee des jungen, modernen Übungsleiters, der alle Fenster aufreißt und durchlüftet.“
Genau das soll Doll nun bei seinem neuen Verein tun – Horst Heldt traut ihm zu, wozu er seinen alten Wegbegleiter André Breitenreiter offenbar nicht mehr in der Lage gesehen hatte. Und das, obwohl der die Liga nachweislich deutlich besser kennt als sein Nachfolger.
Dolls letzter sportlicher Eindruck, den er in der Liga hinterließ – der wird ja so oft vergessen: Platz 13 mit Borussia Dortmund in der Bundesliga. Hinter dem aktuellen Zweitligisten VfL Bochum. Hinter dem heutigen Drittligisten Karlsruher SC. Und weit hinter Hannover 96. (dh)