Kevin-Prince Boateng trägt seinen Sohn Maddox auf dem Arm, als er sich von Eintracht Frankfurt verabschiedet. „Ich will einfach nur Danke sagen“, erklärt er in einem Video, das Frankfurt extra für ihn in den sozialen Medien veröffentlicht hat. „Wir haben den Pokal nach Hause gebracht, das war einfach unvergesslich“, schwärmt Boateng. Dann sagt er gemeinsam mit seinem Sohn: „Ciao.“
Es spricht natürlich für die besondere Beziehung zwischen der Eintracht und dem oft eigenwilligen Profi, dass der Klub das Video mit einem roten Herzen garniert hat. Hier geht ein Held zum italienischen Erstligisten Sassuolo Calcio, so die Botschaft, der maßgeblichen Anteil an einer der erfolgreichsten Spielzeiten der Vereinsgeschichte hatte. Die Frankfurter haben den DFB-Pokal gewonnen, sie haben sich für die Europa League qualifiziert.
Doch während der Verein nun diesen überraschenden Triumph irgendwie bestätigen muss, haben sich neben Boateng viele weitere Helden aus dem Staub gemacht. Auch Stammtorhüter Lukas Hradecky (Bayer Leverkusen), Omar Mascarell (Schalke 04) und Marius Wolf (Borussia Dortmund) sind weg. Immerhin hat Ante Rebic, zweifacher Torschütze im Pokalfinale, seinen Vertrag bis zum Jahr 2022 verlängert. Aber selbst Trainer Niko Kovac wird, wenn Frankfurt am Sonntag (20.30 Uhr, live im ZDF) im Supercup den FC Bayern empfängt, vor der gegnerischen Auswechselbank Kommandos schreien.
Im Raum steht also die Frage: Kann Erfolg auch schaden?
Eine Gefühls-Achterbahn
Einer, der darauf eine Antwort geben kann, ist Jörg Schmadtke. Er war als Sportdirektor dabei, als die Fans des 1. FC Köln vor etwa einem Jahr vor Freude über den unerwarteten Erfolg durch ihre Stadt tanzten. Der Verein hatte sich da nach 25 Jahren wieder für den Europapokal qualifiziert. Doch nur ein paar Monate später blieb der Erfolg ebenso unerwartet aus. Schmadtke wurde rausgeworfen, auch Trainer Peter Stöger musste gehen. Mittlerweile haben die Kölner das Konfetti zusammengefegt und müssen in der 2. Liga mal wieder neu anfangen. Schmadtke arbeitet jetzt beim VfL Wolfsburg.
„Es gibt mehrere Probleme nach einem erfolgreichen Jahr“, erklärt er im Gespräch mit dieser Redaktion, „zunächst ist klar, dass man zu den Personen, mit denen man erfolgreich gearbeitet hat, eine emotionale Bindung aufbaut. Das macht es schwieriger, harte Entscheidungen zu treffen“. Außerdem würden die vereinseigenen Helden auch für andere Klubs interessant. „Wenn sie gehen, ist es für kleinere Vereine nicht leicht, diese Lücke zu füllen“, meint Schmadtke. In Köln war es 2017 Anthony Modeste, der nach China wechselte. Er wurde nie adäquat ersetzt.
Der FC erlebte auch deswegen eine Gefühls-Achterbahn, durch die in der Bundesliga schon viele kleine Vereine gerasselt sind. Beim VfL Bochum etwa tanzte Peter Neururer 2004 nach jedem Sieg für die Fans – und ein bisschen für sich selbst. Der Klub qualifizierte sich für den damals noch ausgespielten Uefa-Pokal. Ein Jahr später stieg Bochum ab. So erging es auch den überraschenden Europateilnehmern 1. FC Nürnberg (2008) und Hertha BSC (2010).
„Die Doppelbelastung ist hart“, erklärt Dariusz Wosz. Er stand für Bochum auf dem Platz, als der Verein erst feierte, dann abstieg. "Wenn man nach einem erfolgreichen Jahr einmal unten drin steht, wird der Druck enorm. Man hat Magenkrämpfe, es ist ein blödes Gefühl", gesteht der heute 49-Jährige. „Für einen kleinen Klub ist es schwierig, alle drei Tage zu spielen“, sagt auch Schmadtke, da man während der Saison nur schwierig nachjustieren könne. Generell gelte: "Der Weg nach oben ist leichter, als oben zu bleiben."
Eintracht Frankfurt will nun beweisen, dass es auch anders geht. „Wir bauen eine sehr gute und junge Mannschaft auf“, meint Sportvorstand Fredi Bobic. Diese soll der neue Trainer Adi Hütter formen. Bobic: „Die Fans dürfen sich auf ein entwicklungsfähiges Team freuen.“
Außerdem lohnt beim Supercup der Blick auf den Gegner. Der FC Bayern stieg 1965 in die Bundesliga auf, gewann nur ein Jahr später überraschend den DFB-Pokal. Geschadet hat das dem Verein nun nicht.
Autor: Marian Laske