Dieser Mann hatte aber auch gar nichts verstanden. Ob es nicht etwas komisch sei, für den besten Verein der Welt zu spielen und dann in der verbotenen Stadt ein Interview zu geben, wollte der Herr mit offensichtlich schwarz-gelber Gesinnung wissen. Ilkay Gündogan war für einen kurzen Moment irritiert und ließ die Antwort offen. So hatte er sich Integration nicht vorgestellt.
Als der Nationalspieler am Samstag für einen Besuch des Kulturfestivals in seine Geburtsstadt Gelsenkirchen zurückkehrte, verursachte er auf dem Sportplatz der Gesamtschule Ückendorf ein kleines Verkehrschaos. Alle wollten sie ein Foto von „ihrem“ Ilkay. Erholt durch einen Ibiza-Urlaub mit Mario Götze und Felipe Santana und einem Trip nach Balikesir in die Heimat seiner Eltern, erfüllte der 22-Jährige geduldig alle Wünsche der Fans.
Ehe er bereits am heutigen Montag, eine gute Woche vor dem offiziellen Aufgalopp beim BVB, wieder ins individuelle Training einsteigt, nahm sich Gündogan bei Döner, Dorade und Ayran Zeit für ein Interview mit RevierSport.
Ilkay Gündogan, passiert Ihnen das öfter, dass Sie wegen Ihrer Gelsenkirchener Vergangenheit angemacht werden? Eigentlich nicht, und schon gar nicht in Gelsenkirchen (lacht). Hier habe ich bislang eigentlich nur positive Erfahrungen gemacht. Ich glaube das liegt daran, dass ich damit immer sehr offen umgegangen bin. Ich habe zwar eine Schalker Vergangenheit, aber ich habe ja nur ein Jahr dort gespielt und damals war ich acht Jahre alt. Viele wissen auch gar nicht, dass ich in Gelsenkirchen geboren bin. Wo wir aber schon dabei sind: Ihr Vater war ein überzeugter Königsblauer, oder? Das stimmt. Aber inzwischen hängt im Garten meiner Eltern in Gelsenkirchen längst die BVB-Fahne. Und auf mich ist das S04-Fieber sowieso nie so richtig übergesprungen. Ich war zwar ein- oder zweimal im Stadion, aber es hat mich nicht gepackt. Aber Gelsenkirchen ist und bleibt meine Heimat. Ich bin noch mindestens einmal in der Woche dort. Und es ist schön, bei so einem Fest viele alte Bekannte und Freunde wiederzutreffen.
Am kommenden Freitag sind Sie schon wieder in Gelsenkirchen. Dann erhalten Sie dort zusammen mit Nuri Sahin den Integrationspreis INTEGRA vom International Business Club. Wir stehen in der Öffentlichkeit und deswegen haben wir auch die Verantwortung, ein Stück von dem Glück, das wir hatten, zurückzugeben. Gerade die Menschen mit türkischem Migrationshintergrund sind sehr stolz auf uns. Das hat man auch an der Begeisterung beim Kulturfestival wieder gesehen. Deshalb ist es wichtig, unsere Bekanntheit zu nutzen und ein gutes Vorbild für die Jugend abzugeben. Das liegt mir sehr am Herzen.
Das Integrationsfest hat Ihr Onkel Ihsan Gündogan mitorganisiert. Was wollen Sie den Menschen rüberbringen? Der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben liegt in der Bildung. Ich bin meiner Familie deshalb sehr dankbar, dass sie, neben meinem Traum einer Karriere als Profisportler, auch immer viel Wert auf meine Schulausbildung gelegt hat. Es war bestimmt nicht einfach für mich, mein Abitur zu machen, weil ich schon damals viel trainiert habe. Aber es geht beides. Ich möchte den Kindern Mut machen, ihren Traum zu leben, aber dabei niemals die Schule zu vernachlässigen. Ich hatte Glück, dass ich zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort war, aber so etwas kannst du nicht planen. Es gibt selbst bei großem Talent keine Garantie auf eine große Karriere als Fußballspieler oder Schauspieler. An einer vernünftigen Ausbildung führt deshalb kein Weg vorbei. Nur sie lässt dir viele Optionen.
Das klingt vernünftig. Viel zu vernünftig, um schon in Kürze den Sprung zu Real Madrid zu machen. Was ist dran an den jüngsten Gerüchten? Ich bin aktuell beim BVB sehr glücklich und weiß, was ich hier habe. Dortmund hat mir die Chance gegeben zu reifen und ich bin hier Nationalspieler geworden. Außerdem läuft mein Vertrag noch zwei Jahre und ich habe großes Vertrauen in die Führung, dass die Entwicklung, die wir als Verein in den letzten Jahren genommen haben, noch nicht zu Ende ist. Ich spiele in der kommenden Saison auf jeden Fall weiter in Dortmund.
Ihr Freund Mario Götze hat einen anderen Weg gewählt! Das muss man akzeptieren. Spieler kommen und gehen, damit müssen wir leben. Aber ich glaube nicht, dass wir schwächer sein werden als im letzten Jahr. Dass wir mit unserer Mannschaft wichtige Abgänge kompensieren können, haben wir in den vergangenen Jahren bewiesen. Es wird schwer, München zu schlagen. Aber es sollte weiter unser Anspruch sein, mit den Bayern mitzuhalten. Wir haben oft genug bewiesen, dass wir das können.
Bislang hat der BVB außer dem Bremer Sokratis noch keine Neuverpflichtungen vorzuweisen. Haben Sie keine Sorge, dass langsam die Zeit wegläuft? Das stimmt, bislang ist noch nicht viel verkündet worden. Aber wir haben tolle Leute im Management, die die Lücken noch schließen werden. Der eine oder andere Neuzugang wird noch kommen. Ich mache mir da keine Sorgen. In der Vorbereitung werden wir wie in den letzten Jahren wieder ganz eng zusammenrücken und zu einer verschworenen Einheit werden. Und dann werden wir in der kommenden Saison in allen drei Wettbewerben wieder voll angreifen. Da bin ich mir ganz sicher.