Im Rahmen des Trainingslagers im österreichischen Kirchberg sprach RevierSport mit dem Meistertrainer. Im ersten Teil des großen Interviews spricht Klopp über den Umgang mit Erfolgen, den Kampfansagen aus München und einem Lernprozess in der Champions League.
Jürgen Klopp, in den letzten Wochen wurde viel darüber geschrieben, wie lange es dauert, bis Niederlagen verarbeitet sind. Wie lange dauert es, bis ein Double-Gewinn verarbeitet ist?
Das geht ganz schnell. Ich kann mich nicht an den Tag erinnern, an dem ich Probleme gehabt hätte, das Ganze zu verarbeiten. Es war eigentlich alles relativ normal, aber man wird natürlich von einer positiven Grundstimmung begleitet und hat mehr oder weniger ein Dauerlächeln im Gesicht – ohne sich ständig zu vergegenwärtigen, dass man das Double gewonnen hat.
Geht es Ihren Spielern ähnlich?
Ja, alles ist gut. Dass sie mit Erfolgen umgehen können, haben sie nach dem Gewinn der Meisterschaft gezeigt. Sie haben die nächsten drei Pflichtspiele auch noch gewonnen, obwohl man meinen könnte, sie lassen nach, wenn der Druck abfällt. Aber das war nicht der Fall.
Trotz der großen Erfolge herrscht bei Borussia Dortmund weiterhin eine gewisse Bescheidenheit. Ist das ein wesentlicher Aspekt für den sportlichen Erfolg?
Ich denke nicht, dass wir bescheiden sind. Bescheiden sein bedeutet, sich frühzeitig mit etwas zufrieden zu geben. Das tun wir nicht. Wir greifen immer an, sind aber realistisch. Deswegen versuche ich immer wieder zu erklären, warum wir selbst nach zwei Meisterschaften nicht sagen, die nächste ist wieder unsere.
Hilft es Ihnen da, dass der FC Bayern aus seinem Selbstverständnis heraus immer wieder unmissverständlich die Meisterschaft als Ziel ausruft und sich damit selbst die Favoritenbürde auferlegt?
Wenn wir sagen, wir wollen den maximalen Erfolg, dann ist das für uns in einer bestimmten Situation eine richtig gute Saison, die mit einem Champions-League-Platz endet. Bei Bayern München ist das nicht so, aber das ist nicht von uns so entschieden worden, sondern von ihnen. Sie haben selber gesagt, dass sie sofort Erfolg haben müssen, wollen und werden. Da gibt es keinen Interpretationsspielraum. Für uns ist das aber nicht wichtig.
Nach der ersten Meisterschaft haben Sie einen Platz im internationalen Geschäft als Ziel ausgegeben, nun soll es die Qualifikation für die Champions League werden. Die Ansprüche steigen also doch immer weiter, oder?
Natürlich, denn wir ignorieren ja nicht unsere Qualität. Hätte uns vor der ersten Meistersaison einer gesagt, dass wir den Titel holen, hätten wir gesagt: ‚Du hast sie nicht alle.‘ Dann waren wir plötzlich Meister, aber deswegen konnten wir ja nicht sagen, wir holen die Schale gleich nochmal, schließlich sind wir in der Saison im Sekunden-Rhythmus über uns hinausgewachsen. Wir haben das internationale Geschäft als Ziel ausgegeben, weil wir dachten, es ist realistisch, nicht weil wir klein reden und groß holen wollten. Und jetzt finden wir es realistisch, dass wir in die Champions League kommen können, was aber nicht bedeutet, dass wir es schaffen. Wir finden es nur angemessen für die Qualität, die wir inzwischen haben.
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