Endlich hatte sich – so schien es nach 80 Minuten in der AWD-Arena – alles zum Guten gewendet. Nach dem durchwachsenen Saisonstart mit lediglich sieben Zählern aus fünf Partien, führte die Borussia bei Hannover 96 mit 1:0. Nach dem starken Spiel unter der Woche gegen den FC Arsenal (1:1), schien der erste Auswärtssieg seit dem 26. Februar und dem 3:1-Sieg bei Bayern München perfekt, die Krise vertrieben, noch ehe sie so richtig begonnen hatte.
Zehn Minuten später jedoch war alles noch viel schlimmer als zuvor. Mit hängenden Köpfen und größtenteils sprachlos verließen die geschlagenen Borussen das Stadion, während die Fans von Hannover 96 eine sensationelle Wiederauferstehung feiern durften. „Daran habe ich nicht mehr geglaubt“, gab sogar Hannovers Trainer Mirko Slomka zu, den seine Mannschaft noch immer überraschen kann. „Denn diese“, so Hannovers Trainer, „hat nicht aufgehört, an sich zu glauben.“
Begonnen hatte das ganze Unheil mit der Verletzung von Mats Hummels. Der Abwehrchef der Borussia, der zuvor eine herausragende Partie abgeliefert hatte, war auf den Rücken gefallen, hatte fortan Probleme mit den Adduktoren und musste schließlich in der 81. Minute vom Platz. „Wir dürfen jetzt nicht den Fehler machen und die Niederlage an den Auswechslungen festmachen“, mahnte Jürgen Klopp zwar, unstrittig ist jedoch, dass in der Defensive plötzlich schiefging, was schief gehen konnte: Zunächst kam Neven Subotic einen Schritt zu spät gegen Karim Haggui, dann rutschte er weg und ließ Didier Ya Konan freie Bahn. Aus der 1:0-Führung war innerhalb von 120 Sekunden ein 1:2-Rückstand geworden. Aus einem Befreiungs- ein übler Rückschlag.
Vor dem Anpfiff war die spannendste Frage noch gewesen, wie Klopp, der aufgrund von Sperren und Verletzungen zum Umstellen gezwungen war, seine Mannschaft aufstellen würde, schließlich entschied er sich für Ilkay Gündogan und Toni da Silva im defensiven Mittelfeld sowie Ivan Perisic und Jakub Blaszczykowski auf den Flügeln.
Vor allem die Schnelligkeit des Polen wollte Klopp nutzen. Hatte dieser doch in der Vergangenheit vor allem dann überzeugt, wenn er in der Fremde mit Tempo hinter die gegnerischen Abwehrreihen stoßen konnte. Gegen Hannover nun sollte „Kuba“ diese Schnelligkeit vor allem gegen den Ex-Schalker Christian Pander ausspielen, den die Borussia scheinbar als Schwachpunkt ausgemacht hatten. Jedenfalls lief fast jeder Angriff über die rechte Seite, immer wieder suchte Spielmacher-Verteidiger Hummels auf dem rechten Flügel Blaszczykowski und dessen Landsmann Lukasz Piszczek, der die erste richtig gute Chance von Perisic vorbereitete (24.).
Nachdem die Borussia den Anfang der zweiten Hälfte zunächst etwas verschlafen hatte, wirkte ein Schuss von Moritz Stoppelkamp, den Roman Weidenfeller stark parierte, wie ein Weckruf – schon im direkten Gegenzug war der Auswärtsbann der Westfalen gebrochen, die in dieser Spielzeit noch kein einziges Tor in der Fremde erzielt hatten. Nachdem Robert Lewandowski den Ball durchgesteckt hatte, überwand Shinji Kagawa Ron-Robert Zieler mit seinem feinen Heber zum 1:0. Es war der Auftakt zur stärksten Phase der Dortmunder, die kurz darauf sogar auf 2:0 hätten erhöhen können. Nach „Kubas“ Hereingabe beförderte der eingewechselte Kevin Großkreutz den Ball aber übers leere Tor.
So blieb es bei der 1:0-Führung, die bis zur 87. Minute Bestand hatte, ehe die Gastgeber das komplette Seelenleben der Borussia durcheinander wirbelten, die Gefühlswelt auch des Übungsleiters auf den Kopf stellten. „Diese Niederlage fühlt sich genauso fies an, wie man sich das vorstellt“, sagte Klopp und wirkte dabei dennoch noch nicht einmal halb so niedergeschlagen wie der große Pechvogel des Abends. „Es war ein individueller Fehler, der alles zum Kippen gebracht hat“, nuschelte Subotic, ehe er sich aus dem Stadion schlich. Nur drei Worte noch presste er über seine Lippen, ehe er ganz verschwunden war. Auf die Frage nämlich, ob er damit sich selber meine, da antwortete er: „Auf jeden Fall.“