Der VfL Bochum hat den Aufstieg in die Fußball-Bundesliga selbst in der Hand. Sieben Spiele vor Schluss trennen den VfL vier Punkte von den Verfolgern Hamburger SV und SpVgg Greuther Fürth. Holstein Kiel hat zwar ein Spiel, aber auch acht Punkte weniger als die Bochumer. Der Weg zum Erfolg war für Trainer Thomas Reis dabei fast immer das 4-2-3-1-System. In Teil zwei der großen Kaderanalyse prüft RevierSport Mittelfeld und Angriff auf Bundesligatauglichkeit und prognostiziert, an welchen Stellen der VfL nachlegen könnte.
Defensives Mittelfeld:
Auf der Doppel-Sechs vor der Abwehr vertraut Reis in dieser Saison auf eine geballte Portion Erfahrung. Anthony Losilla und Robert Tesche ziehen aus dem Zentrum die Fäden und räumen gleichzeitig vor Maxim Leitsch und Armel Bella Kotchap auf. Das Zusammenspiel mit den Innenverteidigern klappt bisher über weite Strecken gut. Mit 27 Gegentoren stellt der VfL die zweitbeste Defensive der Liga. Daran haben auch die kampfstarken Losilla und Tesche ihren Anteil. Ihre Verträge laufen jeweils noch bis zum 30.06.2022.
Doch die beiden Sechser bergen auch potenzielle Baustellen, die sich eine Liga weiter oben auftun könnten. Losilla wurde am 10. März 35, Tesche wird am 27. Mai 34 Jahre alt. Geschwindigkeit zählt nicht (mehr) zu den Kernkompetenzen der beiden Abräumer. Vielmehr sind es Erfahrung und Spielverständnis, die beide so wichtig machen. Im direkten Duell mit schnellen und technisch starken Spielern, wie beispielsweise Giovanni Reyna (18 Jahre, Borussia Dortmund), Florian Wirtz (17, Bayer Leverkusen) oder Kingsley Coman (24, FC Bayern München), können beide aber schnell Probleme bekommen. Es drohen taktische Fouls und Gelbe Karten, die für zweikampfstarke Spieler immer ein Risiko bergen.
Ein weiteres Problem ist, dass Reis hinter den beiden Stammkräften nicht viele Alternativen hat. Mit Raman Chibsah hat der VfL im vergangenen September einen zentralen Mittelfeldmann aus Italiens zweiter Liga geholt. Druck konnte er auf das Duo Losilla/Tesche jedoch nie wirklich ausüben. In neun Zweitligaspielen stand er viermal in der Startelf, spielte dabei lediglich einmal durch. Er stellt eine gute Ergänzung dar. Wie viel Vertrauen ihm Reis in der ersten Liga schenken würde, ist jedoch ungewiss. Chibsahs Vertrag läuft noch bis zum 30.06.2022.
Innenverteidiger Erhan Masovic kann auch im defensiven Mittelfeld spielen. In dieser Saison steht er jedoch erst bei sechs Zweitligaspielen, von denen er eins von Anfang an bestritt. Beim 3:0-Sieg gegen den 1. FC Heidenheim durfte er auf der Sechs von Beginn an ran. Sein Vertrag läuft noch bis zum 30.06.2023.
Mit Lars Holtkamp steht dem VfL zudem noch ein 19-jähriges Talent zur Verfügung. Holtkamp ist bis zum Sommer an den West-Regionalligisten Wuppertaler SV ausgeliehen. Dort laboriert er momentan allerdings schon an der zweiten schwereren Verletzung. Dementsprechend kam er für den WSV noch nicht zum Einsatz und würde auch in der Bundesliga noch keine ernsthafte Alternative darstellen. Sein Vertrag läuft noch bis zum 30.06.2022.
Urteil: Dringender Nachholbedarf
Linker Flügel:
Auf Linksaußen hat sich in dieser Saison Gerrit Holtmann festgespielt. Der 26-Jährige kam im Sommer 2020 vom Bundesligisten 1. FSV Mainz 05 in den Ruhrpott. Bei den Mainzern verbrachte er von 2016 bis 2019 drei Bundesligasaisons, in denen er sich jedoch nie als Stammkraft etablieren konnte. So ging er auf Leihbasis zum SC Paderborn, für den er 2019/20 24 Erstligaspiele (ein Tor) absolvierte.
Der darauffolgende Wechsel zum VfL Bochum erwies sich für Spieler und Verein als Volltreffer. Nach Anlaufschwierigkeiten, inklusive Gelb-Rot am dritten Spieltag, ist Holtmann seit Spieltag acht gesetzt. Seine große Stärke ist sein immenses Tempo. Im Training laufe er schonmal 42 km/h, verriet er zuletzt. Auf 100 Metern läge er damit nur 2,72 km/h hinter Usain Bolt...
Auch wenn sich beide wohl nicht vergleichen lassen, sticht Holtmanns Tempo heraus. Immer wieder wurden in der Vergangenheit jedoch Stimmen laut, die Holtmann seine Bundesligatauglichkeit absprachen. So zählte Torgefahr nie zu seinen großen Stärken. Zur ganzen Wahrheit gehört dabei aber auch, dass Holtmann oft als Linksverteidiger oder Mittelfeldspieler aufgeboten wurde. In der aktuellen Saison steht er bei zwei Treffern und fünf Assists. Gemeinsam mit Danilo Soares bildet er auf Links ein Duo, dem Reis in der Bundesliga guten Gewissens eine Chance geben kann.
Mit Danny Blum hat der VfL zudem einen weiteren Spieler mit Bundesligaformat im Kader, der auf der linken Außenbahn zu Hause ist. In dieser Saison kommt er jedoch vermehrt über Rechts (siehe: Rechter Flügel). Baris Ekincier zählte bisher dreimal zum Kader, spielte jedoch noch keine Minute. Herbert Bockhorn hat in dieser Saison schon gezeigt, dass er Holtmann auf dem linken Flügel vertreten kann. Hier könnte der VfL nachlegen, muss das aufgrund vorhandener interner Alternativen aber nicht zwingend tun.
Urteil: Bundesligatauglich
Offensives Mittelfeld:
Mit Robert Zulj hat der VfL Bochum den zweitbesten Scorer der Liga in seinen Reihen. Zulj vereint in dieser Saison alles, was man sich von einem Zehner wünschen kann. Feine Technik, Spielverständnis, dazu zwölf Tore und elf Vorlagen. Ein Zulj in Topform würde wohl auch in zwei Drittel aller Bundesligateams Platz finden.
In der Vergangenheit standen dem sehr begabten Techniker jedoch immer wieder kleinere Disziplinlosigkeiten im Weg. Auch in dieser Saison musste er sich, obwohl er fit war, das 0:2 gegen die SpVgg Greuther Fürth von der Tribüne aus anschauen. Seither ist er jedoch wieder gesetzt - und in der Form seines Lebens. Auch wenn er in manchen Spielen abtaucht und kaum zu sehen ist, ist er auf der Zehn eine echte Bereicherung. Sein Vertrag läuft noch bis zum 30.06.2023.
Mit Thomas Eisfeld scharrt hinter Zulj ein Alt-Eingesessener mit den Hufen. Seit 2015 ist er schon im Verein, kommt in dieser Saison jedoch nicht zu einem Stammplatz. Dafür bekommt er immer wieder Kurzeinsätze, die er zu nutzen weiß. So erzielte er gegen Heidenheim und Jahn Regensburg zwei sehenswerte Freistoßtreffer. Allerdings läuft sein Vertrag im Sommer aus. Auch wenn Eisfeld verlängern sollte, täte dem VfL ein weiterer Konkurrent für Zulj gut.
Urteil: Nachholbedarf
Rechter Flügel:
Im selten von Rotation betroffenen Reis-System war der rechte Flügel zu Beginn der Saison vakant. In den ersten sechs Spielen schien Simon Zoller die Nase vorn zu haben. Dann zog ihn Reis jedoch ins Sturmzentrum (siehe: Mittelstürmer). An den Spieltagen acht bis 15 nahm Danny Blum die Position auf Rechts ein. Der 30-Jährige ist schnell, robust und sucht fast immer den Abschluss. Hätten ihn eine Wadenverletzung und die Rote Karte gegen den HSV nicht über insgesamt neun Spiele zum Zuschauen gezwungen, hätte er sich wohl schon festgespielt. Sein Vertrag läuft im Sommer aus, verlängert sich aber bei einem Aufstieg.
In Abwesenheit von Blum hat sich Herbert Bockhorn zu einem starken Vertreter aufgeschwungen. Als Blum Mitte Februar von seiner Verletzung zurückkehrte, stand Reis ob der starken Leistungen seines Ersatzmannes sogar vor einem Luxusproblem. Bockhorn, der eigentlich gelernter Rechtsverteidiger ist, stellt mit seinem Tempo und Offensivdrang eine gute Alternative zu Blum dar. Sein Vertrag läuft noch bis zum 30.06.2022.
Mit Milos Pantovic hat ein weiterer Spieler ernsthafte Einsatzambitionen. Der 24-Jährige kommt in der laufenden Saison regelmäßig zum Einsatz, meistens jedoch von der Bank. Seine Sternstunde hatte er beim 2:1 gegen Holstein Kiel, als er von Beginn an spielte und zwei Assists lieferte. Ob er jedoch auch in der Bundesliga überzeugen kann erscheint fraglich. Dazu läuft sein Vertrag im Sommer aus.
Tarsis Bonga und Tom Weilandt sind ebenfalls auf dem rechten Flügel zu Hause, bekamen in dieser Saison jedoch noch nicht viele Einsätze. Speziell Weilandt spielt keine Rolle. Er hat noch bis zum 30.06.2022, Bonga sogar noch ein Jahr länger Vertrag. Wie auf dem linken Flügel könnte der VfL nachlegen, hat aber auch einige interne Alternativen. Insgesamt könnte den Bochumern ein weiterer Flügelspieler mit Bundesligaformat guttun.
Urteil: Bundesligatauglich
Mittelstürmer:
Alleinunterhalter Simon Zoller ist mit 14 Toren der drittbeste Torjäger der Liga und bildet gemeinsam mit Zulj ein kongeniales Duo. Seine Bundesliga-Erfahrung hilft dem VfL enorm. Zoller hat im Mittelsturm das Gespür für die Räume, in denen er sein muss. Dazu bringt der 29-Jährige Ruhe am Ball und einen präzisen Abschluss mit. Gerne weicht er im Spiel auch mal auf die Zehn oder den Flügel aus und schafft so Platz. Sein Vertrag läuft noch bis zum 30.06.2022.
Einer, der unter Zollers Entwicklung leidet, ist Silvère Ganvoula. In der vergangenen Saison noch unverzichtbar, sitzt der Kongolose nun vor allem auf der Bank. Zu Beginn der Saison noch gesetzt, reicht es nur noch zu Kurzeinsätzen. Mit einem Marktwert von 1,5 Millionen Euro und einem Vertrag bis zum 30.06.2023 ist der Kongolese ein heißer Verkaufskandidat.
Mit Soma Novothny holte Bochum vor der Saison einen Mittelstürmer aus Ungarn, der anfangs zwar seine Startelfeinsätze bekam, sich nun aber auch hinter Zoller anstellen muss. Er blieb zehnmal ohne Einsatz im Kader, fehlte sechsmal sogar ganz. Sein Vertrag läuft noch bis zum 30.06.2022. Der 18-jährige Luis Hartwig ist ein Perspektivspieler. Hier täte dem VfL Bochum ein härterer Konkurrent für Zoller gut.
Urteil: Nachholbedarf
[article=518104]Teil eins der großen RevierSport-Kaderanalyse beschäftigt sich mit der VfL Defensive[/article]