Dass es in der VELTINS-Arena eine Kapelle gibt und sogar der letzte Papst, Johannes Paul II., Mitglied beim "geilsten Club der Welt" war, sind alte Hüte. Zwar war der Fußballgott uns nicht immer wohl gesonnen, aber so ist das nun einmal mit höherer Gewalt. Als allerneusten Schrei dürfen wir stolz auf eine königsblaue Ausgabe der Bibel verweisen.
Noch zu Zweitliga-Zeiten kam der kleine Elmar irgendwie auf die abenteuerliche Idee, sich mit ganzem Herzen dem FC Schalke 04 zu verschreiben. Dass der "geilste Klub der Welt" ihm in den folgenden Jahren neben einiger Freude auch unendlich viel Leid bescheren sollte, war ihm damals noch nicht klar. Nun versucht er sein königsblaues Gefühlschaos in seiner wöchentlichen Fan-Kolumne so gut es geht zu ordnen.
Wer sich im "Buch der Bücher" ein wenig auskennt, der weiß, dass die wirklich mitreißenden Stories im Alten Testament zu finden sind. Dort fließt im Gegensatz zum friedvolleren Neuen Testament das Blut in Strömen und im Gegensatz zum modernen Motto "Du sollst auch deine Feinde lieben", lautet die alt-testamentarische Parole: "Auge um Auge, Zahn um Zahn".
Dieses geflügelte Wort hat sich auch unser bibeltreuer Rechtsverteidiger auf die Fahne geschrieben. Marcio Rafael Ferreira de Souza redet gern über seinen christlichen Glauben. Von jeglichem Glauben fallen momentan allerdings Schalker Fans und Verantwortliche ab. Der "Olympia-Streit" gipfelte in Rafinhas eigenmächtiger Abreise nach Asien. Ausdrücklich ohne die Genehmigung der Vereinsführung.
Rafinha ist kein Engel. Auch wenn es hier fast so aussieht. Foto: firo
Einerseits kann ich den Brasilianer verstehen, das olympische Motto "Dabei sein ist alles" sagt schon viel über den Reiz der Spiele in Peking aus – auch für einen Fußballer. Andererseits muss gelten, was Vorgesetzte entscheiden, selbst wenn es weh tut. Mittlerweile ist die Situation völlig verkorkst und RS-Redakteur Heiko Buschmann hat vollkommen Recht, wenn er kommentiert, dass es in diesem Fall nur Verlierer gibt.
Rafinha ist getürmt und schlecht auf Schalke zu sprechen. Manager Andreas Müller schäumt vor Wut und hat schon alle möglichen Instanzen alarmiert. Die Fanseele brodelt und ich male mir schon aus, was los ist, wenn unsere Nummer 18 irgendwann zurückkehrt. Falls wir den 22-Jährigen jemals in Gelsenkirchen wieder sehen. Viele Anhänger machen sich nämlich schon Gedanken, ob Arne Friedrich eine adäquate Alternative auf "hinten rechts" darstellt.
Der Fußballgott prüft den Apostel Andreas zur Zeit schwer. Foto: firo
Ich flehe den Fußballgott an: Möge Rafinha doch noch der heilige Geist erscheinen - und sei es in Form eines brennenden BVB-Schals, der ihn auf den rechten, nämlich königsblauen, Pfad bekehrt. Andreas Müller wünsche ich die Früchte vom Baum der Erkenntnis. Das ganze Theater hätte Schalke erspart werden können, hätten die Beteiligten sich vorher auf einen Kompromiss geeinigt, denn "wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein." Doch nun tagt das "Jüngste Gericht" namens CAS.
Siegt Gut oder Böse? Strahlt bald über uns ein königsblauer Himmel oder landen wir im teuflischen Fegefeuer des verpatzten Saisonstarts? Mein Glaube ist schwach, dass die Schalker Ahängerschaft noch mal ein Gloria auf Rafinha anstimmen wird oder den begnadeten Kicker einmal heilig spricht. So oder so - es hilft nur noch Beten.