Und das trotz der scheinheilig wirkenden Forderung seines sich so fortschrittlich gebenden Präsidenten Theo Zwanziger, es möge sich doch endlich der erste schwule Fußballer outen.
Auch in der Diskussion um Ex-Schiri Manfred Amerell, der jüngere Kollegen sexuell belästigt haben soll, schimmert diese Komponente des Unbehagens durch. Ein Schiedsrichter mit der Vorliebe für knackiges Frischfleisch, und zwar nicht mit üppigem Busen, das geht nicht!
Zwanziger lobt den Bundesliga-Referee Michael Kempter dafür, dass er die Annäherung Amerells dem DFB gemeldet hat. Doch dahinter steckt nichts anderes als die nackte Angst, die Neigung zum gleichen Geschlecht würde doch tatsächlich auch die vermeintliche heile Welt des Fußballs berühren. Und natürlich bestreitet Amerell bis heute die Vorwürfe und seine Frau beteuert, sie könne sich solche Schweinereien von ihrem Mann gar nicht vorstellen.
Es ist eine bigotte Welt, in der sich der Fußball befindet. Wo auf jeder Abschlussfahrt an den Ballermann sexistische Übergriffe auf weibliche Inselgäste unter Mannschaftskameraden gerne beklatscht werden, ist der Blick auf den Po des Kollegen streng verpönt.
„Schwule, Schwule“, lautet ein unter Fans verbreiteter Schlachtruf, um den jeweiligen Gegner niederzubrüllen. Wenn nächsten Freitag das Fußball-Revier aufs Derby zwischen Schalke und Dortmunder blickt, dann wird den Gästen wieder tausendfach „Schwuler BVB“ entgegen schallen.
Natürlich sollen hier nicht strafrechtlich relevante im Sinne des freien Geistes gut geheißen werden. Amerells Objekte der Begierde - neben Kempter vier weitere Nachwuchs-Pfeifenmänner haben sich kaum freiwillig bei dem mächtigen 64-Jährigen zum Kuscheln gemeldet, um vielleicht früher in der Hierarchie der Schiedsrichter aufzusteigen.
Der inzwischen von all seinen Ämtern zurückgetretene bisherige Schiedsrichtersprecher fühlt sich nun einer Hetzjagd ausgesetzt und spricht offen von Selbstmordgedanken. Er ist nicht in der Position, dass man gerade ihn bedauern müsste. Dennoch zeigt auch sein verzweifeltes Winseln um Verständnis, wie in der Öffentlichkeit Sportler, die nicht den chauvinistischen Wertevorstellungen entsprechen, in die Ecke getrieben werden.
Und das vier Monate nach dem Fall Robert Enke.