Sotschi setzte sich im Finale überraschend mit 51:47 Stimmen gegen das südkoreanische Pyeongchang durch, das wie für 2010 gegen Vancouver (53:56) auf der Ziellinie unterlag. Der große Sieger des Tages war Russlands Präsident Wladimir Putin, der davon erst auf dem Heimflug erfuhr. Der Traum in Österreich und im Berchtesgadener Land war im Hotel Camino Real bereits vorzeitig ausgeträumt. Die erneut mit dem bayerischen Eiskanal angetretene Mozart-Stadt scheiterte im ersten Wahlgang - wie schon beim Anlauf für 2010. In der ersten Runde lag Pyeongchang mit 36 Stimmen knapp vor Sotschi (34) und den Österreichern (25).
Mit Salzburgs Niederlage rückt eine Kandidatur Münchens für die Winterspiele 2018 in greifbare Nähe. "Es wäre eine großartige Sache, als erste Stadt der Welt Schauplatz sowohl der Sommer- als auch der Winterspiele zu werden. Wir sind jedenfalls bestens gerüstet", erklärte Oberbürgermeister Christian Uhde in einer ersten Stellungnahme. Auf jeden Fall werde Garmisch-Partenkirchen einbezogen.
Im Salzburger Schloss Mirabell und am Königssee, wo die Fans vor großen Leinwänden der Entscheidung entgegengefiebert hatten, war die Enttäuschung grenzenlos. Man scheiterte wohl hauptsächlich am mangelnden Rückhalt in der Bevölkerung und dem zu knappen Etat. In einer der größten Materialschlachten konnte die Alpenrepublik nicht mithalten. Sotschis Sieg ist ein persönlicher Triumph Putins, der die Bewerbung zur Chefsache erklärt hatte, wie Tony Blair für London 2012 erfolgreich meisterte. Vor einem Jahr hatte die Stadt am Schwarzen Meer die Vorauswahl unter sieben Bewerbern nur mit Mühe überstanden. Dort und im 40km entfernten Kaukasus soll ein neues Wintersport-Paradies entstehen. Sämtliche Wettkampfstätten stehen bislang nur auf dem Papier.
Putin hatte vor der Session und mindestens zwölf Milliarden Dollar an Investitionen versprochen. Als erster Redner pries er in Englisch und Französisch das "einzigartige" Sotschi, wo seine Sommerresidenz steht: "Unser Land hat viel zur olympischen Bewegung beigetragen, aber wir hatten noch nie die Ehre, Winterspiele bei uns zu feiern."
Den Bewerbungsfilm hatten die Bayern Willy Bogner und Markus Wasmeier gedreht. Sämtliche Wettkampfstätten gibt es bisher allerdings nur auf dem Papier. Laut Putin würden alle Bedenken der Umweltschützer berücksichtigt. "Wasi" schwärmte: "Die Region ist eine Mischung aus Cote d"Azur und Alaska." In hellen Trachten, gelöst, souverän und selbstbewusst hatte sich Salzburg 60 Minuten lang präsentiert und starkem Beifall erhalten. "Das war eine runde Sache", lobte der dreimalige Olympiasieger Georg Hackl. Doch schon in den ersten Reaktionen einiger Insider wurde Zweifel laut, ob sich das Blatt für den Außenseiter noch wenden ließe.
"Wir bieten an, was man mit Geld nicht kaufen kann", hatte Bundeskanzler Alfred Gusenbauer den IOC-Mitgliedern zugerufen und mit der großen Wintersport-Tradition und dem unvergleichlichen Flair der Stadt geworben. Schon am Vortag aber hatte er Kritik angemeldet: "Einige IOC-Mitglieder haben mir gesagt, sie fühlten sich wie auf einer Auktion, bei der die Spiele meistbietend versteigert werden sollen." Auch Gerhard Heiberg, Vater der Spiele von Lillehammer 1994 und Leiter der IOC-Marketingkommission, drückte sein Unbehagen aus: "Es ist zu viel Geld im Spiel, die finanzielle Grenze für Bewerbungen muss limitiert werden."
106 IOC-Mitglieder hatten sich am Morgen im Gran Salon versammelt, 97 waren für den ersten Durchgang stimmberechtigt, um ab 15.30 Uhr Ortszeit (23.30 MESZ) zwischen Winterspielen unter Mozart-Klängen (Salzburg), Palmen (Sotschi) oder Friedenstauben (Pyeongchang) zu wählen.
Wie alle Olympier aus Bewerberländern mussten sich die beiden Deutschen Thomas Bach und Walther Tröger wegen Königssee enthalten, so lange Salzburg im Rennen war. "Natürlich drücke ich unseren Freunden in Österreich die Daumen", meinte Tröger: "Innsbruck 1964 und 1976 hat ja gezeigt, dass Winterspiele beim Nachbarn auch für uns ein besonderes Erlebnis sind."
Österreichs Regierungschef Gusenbauer hatte die Hoffnung bis zuletzt nicht verloren: "Das IOC steht vor einer Richtungswahl. Wenn es nicht noch mehr olympische Ruinen will, wird es sich für Salzburg entscheiden." Doch die Botschaft kam nicht an.
Als Erster erfuhr dies Bach. Der Tauberbischofsheimer bekam als Leiter der Wahlkommission noch vor Rogge den Computer-Ausdruck mit dem Ergebnis auf den Tisch, das im Mozart-Land Trauermusik auslöste.