Auf der rechten Seite sträflich alleine gelassen, bringt Helmut Rahn eine Flanke in den Strafraum, wo Johannes Röhrig den Ball mit dem Kopf in die Maschen wuchtete. Es war die Wende im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft 1955. Mit der zweiten Vorlage von Rahn drehten die Essener die Partie gegen den 1. FC Kaiserslautern und gewannen schlussendlich mit 4:3. Doch nicht der "Boss" stand im Mittelpunkt, sondern Teamkollege Franz "Penny" Islacker, dem an diesem Tag drei Tore gelangen. Bereits zwei Jahre zuvor konnte sich die Mannschaft der Rot-Weissen den DFB-Pokal sichern.
"… Kopfball – abgewehrt – aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen – Rahn schießt! – Tooooor! Tooooor! Tooooor! Tooooor! Tor für Deutschland...", so schrie Radio-Reporter Herbert Zimmermann in sein Mikrofon. Mittlerweile ist der Spruch untrennbar mit Helmut Rahn verbunden. Doch die Geschichte des Fußballers ist viel komplexer, als es die 90 Minuten in Bern darstellten.
Die Rundfahrt begann dort, wo auch die Geschichte eines der besten deutschen Kicker begonnen hat, in der "Leseband"-Straße, einen Steinwurf entfernt vom ehemaligen Fußballplatz des SV Altenessen, bei dem Rahn in seiner Jugendzeit gespielt hat. In einem ehemaligen Zechenhaus ist der "Boss" aufgewachsen, zusammen mit seiner Familie. Heute ist kaum noch etwas von dem zu erkennen, wie es zu Zeiten von Kumpel und Kohle ausgesehen hat.
Bevor es für Rahn zu RWE ging, spielte er noch bei den Sportfreunden Katernberg, die auch im Jahr 2015 noch ihre Heimspiele im Stadion Am Lindenbruch austragen. Die in die Jahre gekommene Sportstätte wird es bald nicht mehr geben, denn die Sportfreunde erwägen einen Umzug. Kaum vorstellbar, dass auf den wenigen Steinrängen mal 30.000 Zuschauer Platz gefunden haben. Es war eben eine andere Zeit, vielleicht eine bessere, auf jeden Fall waren die Fans näher dran, sonst hätten hier nicht so viele Menschen Platz gefunden.
In seiner Biographie, "Mein Hobby ist Tore schießen", beschreibt Rahn die Vertragsverhandlungen mit Georg Melches, dem Gründer von Rot-Weiss Essen, doch das Casino, in dem Melches den Ausnahmekönner überzeugen konnte, steht nicht mehr. Es bleiben die Erinnerungen und Anekdoten. Auch die Ablösesumme von 7000 Mark erscheint in Zeiten, in denen Fußballer mittlerweile für dreistellige Millionenbeträge den Verein wechseln, eher unspektakulär.
Nur ein alter Flutlichtmast steht noch an dem Ort, wo einst das Georg-Melches Stadion gestanden hat. Unweit davon entfernt steht die neue Heimstätte der Rot-Weissen, das Stadion Essen. Auf seinem Vorplatz findet sich eine Bronzestatue, die Rahn darstellt, fast in Lebensgröße, aber eben nur fast. Im Winter erhielt dann auch der Meisterschaftsheld sein ganz persönliches Denkmal, "Penny ihm sein Knie", zeigt das verbundene Knie des dreifachen Torschützen und hängt seit Anfang des Jahres im Spielertunnel. Eigentlich soll es den RWE-Akteuren Glück bringen, doch Zeiger und Co. haben das in der vergangenen Rückrunde wohl einfach falsch verstanden.
Bernhard Termath flankt, "Penny" Islacker erzielt mit einem Flugkopfball das 4:3. Bilder aus der Vergangenheit, Essen war an der nationalen Spitze, heute liegen ein paar Ligen dazwischen, doch diese eine Meisterschaft kann den Rot-Weissen niemand mehr nehmen. Und auch an die Helden von damals gedenken sie an der Hafenstraße noch heute, zum Beispiel mit einer Themenrundfahrt, 60 Jahre danach.