Plötzlich ging alles ganz schnell. Leon Goretzka wärmte sich gerade für das Testspiel seines Noch-Arbeitgebers VfL Bochum in Telgte gegen Preußen Münster auf, da kam Trainer Peter Neururer auf ihn zu. Der Wechsel zu Schalke 04 sei perfekt, erklärte der Coach dem umworbenen Ausnahmetalent. Der 18-Jährige brach das Warmmachen ab und ließ sich zurück nach Bochum fahren.
Dort hatten Schalke-Manager Horst Heldt und sein Bochumer Kollege Christian Hochstätter den wochenlangen Hickhack um den Juniorennationalspieler in einer neuen Verhandlungsrunde beendet. Die Königsblauen legten offenbar noch etwas auf die festgeschriebene Ablösesumme von 2,75 Millionen Euro drauf, Bochum wird angeblich unter anderem an den Erlösen aus einem Weiterverkauf beteiligt - endlich war der Weg frei.
"Beide Seiten sind aufeinanderzugegangen", sagte Heldt, und Hochstätter ergänzte: "Alle können zufrieden sein." VfL-Aufsichtsratschef Hans-Peter Villis meinte: "Wir sind nicht euphorisch, aber zufrieden."
Schalke wollte auf jeden Fall verhindern, dass Goretzka noch einmal für den VfL aufläuft. "Ich habe gehört, dass es schon die eine oder andere Anfeindung gegeben hat. Da haben die Vereine auch eine Fürsorgepflicht gegenüber dem Spieler", hatte Heldt vor dem Testspiel der Bochumer erklärt. Seine Aussage von der Jahreshauptversammlung am Samstag ("Wir können nicht einfach was drauflegen") war Makulatur.
Im Trainingslager in Donaueschingen wurde das "Jahrhunderttalent" (Neururer), das schon vor Wochen einen Vertrag bis 2018 unterschrieben hatte, bereits sehnsüchtig erwartet. "Ich hoffe, er kommt noch in dieser Woche zu uns", sagte Trainer Jens Keller, "hoffentlich ist der Verein vernünftig genug, ihn rauszulassen."
Mit der Einigung am Sonntagabend blieb allen Parteien eine gerichtliche Auseinandersetzung erspart. Goretzka hatte beim Arbeitsgericht eine Zivilklage gegen den VfL eingereicht und berief sich auf die Klausel in seinem bis 2016 laufenden Vertrag. Strittig war unter anderem, ob vor der festgelegten Ablöse das Wort "mindestens" steht und ob es eine Schweigepflicht über diese Klausel gibt.
Auch die Deutsche Fußball Liga (DFL) schaltete sich ein, um zu schlichten. Deren Vorschlag fand jedoch nicht die Zustimmung der Königsblauen. "Er sollte ausgewogen sein, damit alle damit leben können", meinte Heldt.
Für Schalke ist die vierte Neuverpflichtung nach Felipe Santana (Borussia Dortmund), Christian Clemens (1. FC Köln) und Adam Szalai (Mainz 05) ein Coup - trotz der gestiegenen Ablösesumme. Der Champions-League-Aspirant bekommt ein außergewöhnliches Talent, das für sein Alter schon sehr weit ist.
In den 32 Einsätzen für den VfL in der abgelaufenen Zweitliga-Saison bewies der 18-Jährige eindrucksvoll, dass sich zu den durchaus bei mehreren deutschen Top-Talenten vorhandenen Qualitäten - gute Technik, hervorragendes Spielverständnis, riesiger Lerneifer - eine Begabung kommt, die ihn in seiner Altersklasse wohl einmalig macht: Er besitzt eine enorme körperliche Präsenz.
VfL-Coach Neururer, übrigens auch Schalke-Mitglied, neigt zwar gelegentlich zu Übertreibungen. Seine Einschätzung, er habe "noch nie einen 18-Jährigen gesehen, der auch nur annähernd sein Potenzial besitzt", teilen aber viele.