Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann, heißt es auf den Kalendern und Postkarten dieser Welt. Und der Ball ist rund, weil Fußball Kopfsache ist. Obwohl Rot-Weiss Essen und den VfB Hüls erst recht nach dem am Ende souveränen 3:0 (1:0)-Heimsieg Welten trennen, könnten beide ein gemeinsames Lied davon singen.
Auf der einen Seite die Rot-Weissen, die nach der 1:2-Niederlage in Bergisch Gladbach viel Kritik und einige Kratzer auf dem glänzenden Selbstbewusstsein abbekamen. Dem Gegenüber ein VfB Hüls, dessen Leidensgeschichte mit einem Tor in nun acht Ligaspielen hinreichend beschrieben ist. Am Ende sollte alles so kommen, wie es die meisten der 8079 Zuschauer im Stadion Essen gehofft, erwartet oder befürchtet hatten. Doch trotz aller Differenzen wurde eben auch deutlich, dass oft nur eine Idee den Unterschied macht.
Auch Fußballer sind in der Regel Menschen. Daher fällt es selbst den findigsten Trainern schwer, die vielzitierten Hebel im Kopf überhaupt zu finden, geschweige denn umzulegen. So machten die beiden ungleichen Kontrahenten zunächst auch da weiter, wo sie aufgehört hatten. Mit Problemen. Kerim Avci hatte mit einem gut getimten Zuspiel auf Markus Heppke zwar eine gutes Mittel gegen die offensive Tristesse gefunden, doch der Essener Kapitän zielte etwas zu genau und nagelte den Ball an die Latte (10.). "Willkommen in unserer Welt", dachte sich da vielleicht noch mancher VfB-Kicker. Zumal es den Hausherren nicht gelang, nach dieser frühen Duftmarke nachzulegen. "Die Anfangsphase haben wir ganz gut überstanden", konstatierte VfB-Trainer Martin Schmidt daher - eingangs noch zufrieden.
Mehr noch. Essens Avci zwang seinen Trainer wenig später zu einer ungewollten Umstellung. Nach eineinhalb taktischen Fouls des Mittelfeldmanns gewährte Schiedsrichter Cetin Sevinc Avci eine letzte Gnadenfrist, die Waldemar Wrobel nutzte, um der Gelb-Roten Karte zuvorzukommen und Stefan Grummel zu bringen. Auch der hatte aber kein Rezept parat, um dem fahrigen Spiel eine Linie zu verpassen. Trotz Feldüberlegenheit musste sich RWE sogar bei Dennis Lamczyk bedanken, der sein ganzes Können aufbot, um Christian Erwigs Drehschuss (41.) von der Linie zu kratzen. Eine charakteristische Szene für den Saisonstart des Aufsteigers. Doch der Tiefschlag folgte noch. Einer der seltenen Angriffe, die RWE mit der letzten Entschlossenheit vortrug, drückte Innenverteidiger Michael Laletin im Stile eines Mittelstürmers über die Linie. (45+1.). Sevinc pfiff gar nicht mehr an. Phrase hin oder her: RWE hatte die psychologische Sollbruchstelle des Underdogs mit der Präzision eines Laserstrahls seziert.
"Wir wollten vieles besser machen, hatten aber am Anfang Probleme. Das war kein richtig gutes Spiel, aber wir haben die zwei Tore erzwungen. Das war der Unterschied zum Spiel in Bergisch Gladbach", resümierte Wrobel. Mit der Führung im Rücken ging den Hausherren das Spiel plötzlich leichter vom Fuß. Zum Brustlöser freilich reichte das noch nicht. Dazu brauchte es erst der Einzelleistung von Benedikt Koep, der von Stefan Hoffmann im Strafraum umgesenst wurde und den fälligen Strafstoß selbst in ein 2:0 verwandelte. "Damit war das Spiel für mich entschieden", sollte Christian Telch später zu Protokoll geben. Eine Einschätzung, mit der Essens Rechtsverteidiger nicht allein dastand. Für die torarmen Hülser ein schier uneinholbarer Rückstand, der sich lähmend auf die angeknackste Psyche auswirkte. So bekam RWE schließlich nur noch wenig Gegenwehr entgegengesetzt. "Das sieht dann hinten raus souverän aus, aber wenn man ehrlich ist, haben wir in der ersten Hälfte zwar konzentiert, aber nicht gut gespielt", gestand Innenverteidiger Vincent Wagner.
Mit dem Sieg greifbar vor Augen spielte sich diese Aufgabe für den Favoriten dann letztlich aber doch so leicht, wie sie auf dem Papier daherkam. Für die Gäste gilt es indes, bei aller Belastung nicht zu verkrampfen. Viel größer könnte der Druck dabei nicht sein. "Wir konzentrieren uns jetzt voll auf das Spiel gegen Velbert, das wir unbedingt gewinnen müssen", sagte Schmidt ganz so, als ginge es bereits um alles oder nichts. Und das auch noch ohne Dirk Jasmund, der an alter Wirkungsstätte mit Gelb-Rot vom Platz gestellt wurde. Augenblicke zuvor hatte Kevin Grund zum 3:0 eingenickt (77.). Auch der Schlussakkord dieser Partie war eben Kopfsache.